Ein ungehaltenes Interview mit dem Wirtschaftsminister
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler verweigert einem Interview die Freigabe - weil die taz zu oft zu Hass-Mails und Rassismus fragte
Berlin - Was für eine Rolle spielt das Aussehen von Philipp Rösler? Wie wichtig ist die Tatsache, dass der deutsche Wirtschaftsminister in Vietnam geboren ist? Und wie wichtig wird sie genommen - im Wahlkampf oder in innerparteilichen Auseinandersetzungen? Wurde der FDP-Politiker in diesen Auseinandersetzungen schon einmal mit rassistischen Äußerungen konfrontiert? Und wenn ja, von wem und wie oft?
Man mag über die Berechtigung, solche Fragen an Philipp Rösler zu stellen, streiten: Wirken solche Fragen und Antworten darauf aufklärerisch? Oder reproduzieren sie die Klischees, die sie eigentlich anprangern wollen? Die Redakteure der links-alternativen Berliner Tageszeitung "taz" haben die Probe aufs Exempel gemacht: Sie haben mit Rösler über das Thema Hass-Mails und Ressentiments gesprochen - zu lesen bekommt das Interview allerdings niemand.
Zumindest nicht in Gänze. Denn Rösler hat das Interview nicht freigegeben. Im Zuge der sogenannten "Autorisierung" dürfen Politiker und andere Gesprächspartner die Druckfassung eines Interviews normalerweise noch einmal durchschauen. Dies soll verhindern, dass sachliche Fehler, die durch die Wiedergabe wörtlicher Rede entstehen können, abgedruckt werden. In Deutschland ist eine solche Praxis üblich, in anderen Ländern - wie dem gesamten angelsächsischem Raum - nicht.
Was vor und nach der Autorisierung geschah, schildert die taz auf ihrer Website wie folgt:
Eine Stunde lang hatten zwei taz-Redakteurinnen mit Vizekanzler Rösler über Koalitionsstreit und Steuerpolitik, aber auch über Hassmails und Rassismus, Röslers asiatische Wurzeln und Rainer Brüderles öffentliche Vergleiche zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche gesprochen. Der FDP-Chef antwortete auf alle Fragen. Doch bei der Autorisierung hieß es: Das Interview werde nicht freigegeben, weil Rösler sein asiatisches Äußeres im Wahlkampf nicht zum Thema machen wolle. “Das ist ein grober Bruch der gängigen Spielregeln”, sagt taz-Chefredakteurin Ines Pohl. Zwar habe man, wie mit deutschen Spitzenpolitikern üblich, einer Autorisierung durch die Pressestelle vor Drucklegung zugestimmt. “Eine Autorisierung soll sicherstellen, dass man die Antworten sachlich richtig und nicht missverständlich wiedergibt. Sie darf aber nicht dazu führen, dass im Nachhinein unkliebsame Antworten oder Einlassungen gestrichen werden.”
Als Konsequenz daraus, wird die taz in seiner Dienstag-Ausgabe nur die Fragen, nicht aber Röslers Antworten drucken. Diese finden Sie ebenfalls auf taz.de. Die taz hatte schon vor zehn Jahren lediglich die Fragen und geschwärzte Antworten gedruckt, als Olaf Scholz (SPD) unliebsame Antworten gestrichen hatte.
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