Ein schwarzer Tag für den Datenschutz - und für die FDP
BRÜSSEL/BERLIN - Nächster Krach in der Berliner Koalition: Die FDP ist auf 180, weil Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Brüssel kein Veto gegen das Swift-Abkommen einlegt hat. So dürfen US-Terrorfahnder künftig ganz legal auf die Bankdaten europäischer Bürger zugreifen. JuLi-Chef Johannes Vogel ist stinksauer: "Da bekomme ich Brechreiz."
Ein schwarzer Tag für den Datenschutz in Deutschland: Die EU-Innenminister haben am Montag das umstrittene „Swift“-Abkommen zur Übermittlung europäischer Bankdaten an die USA abgenickt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière enthielt sich im Ministerrat der Stimme – mit einem Nein hätte der CDU-Mann das Abkommen verhindern können.
Die US-Behörden sehen im Ausschnüffeln von Überweisungsdaten zwischen der EU und Drittstaaten ein wichtiges Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Mit dem Vertrag wird der Zugang der US-Behörden zu Daten von Überweisungen zwischen der EU und Drittländern geregelt, die über den Finanzdienstleister Swift laufen. Es betrifft nicht die Überweisungen innerhalb der EU. In dem zunächst auf neun Monate befristeten Übergangs-Abkommen verpflichteten sich die USA, keine Daten an Drittstaaten weiterzureichen. Auch ein großräumiges Abfischen der Kontodaten ist nicht erlaubt.
In den kommenden Monaten soll ein dauerhaftes Abkommen ausgehandelt werden. An diesen Verhandlungen soll dann auch das Europäische Parlament beteiligt werden, das ab diesem Dienstag mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages einen Anspruch auf Mitwirkung hat.
JuLi-Chef Johannes Vogel: "Klima zwischen de Maizière und FDP nachhaltig beschädigt"
Die Brüsseler Entscheidung ist eine schwere Schlappe für die FDP und deren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die bis zuletzt versucht hatte, de Maizière zu einem Nein zu bewegen. "Die heutige Entscheidung ist gegen den Widerstand des Bundesministeriums der Justiz zustande gekommen", reagierte die Bürgerrechts-Liberale verschnupft und pikiert. "Es ist schade, dass nicht die Chance genutzt wurde, das Swift-Abkommen auf der Rechtsgrundlage des Lissabonner Vertrages zu verhandeln. Diese Entscheidung verunsichert Millionen von Bürgerinnen und Bürger in Europa." Allerdings habe das im Ministerrat beschlossene Interimsabkommen "keine wegweisende Wirkung für die Verhandlung des endgültigen Abkommens", so Schnarrenberger weiter. Ihr Haus werde "darauf drängen, dass ein hohes Datenschutzniveau und ein effektiver Rechtsschutz Wirklichkeit werden".
Über ein „inakzeptables Verhalten des Innenministers“ klagt auch der FDP-Bundestagsabgeordnete und JuLi-Chef Johannes Vogel: „Da bekomme ich Brechreiz.“ De Maizières Stimmverhalten sei „eine Provokation der Liberalen. Das schädigt das Klima zwischen de Maiziere und der FDP nachhaltig, dazu kann Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht schweigen!" Der JuLi-Chef sieht in der Entscheidung auch die Zusammenarbeit im Regierungsbündnis generell belastet: „Ein solches Verhalten der Union darf sich keinesfalls wiederholen, sonst wird eine kollegiale Zusammenarbeit in der Koalition schwer möglich. Die JuLis erwarten auch von den liberalen Ministern, dies deutlich zu machen und den Koalitionspartner zu Räson zu bringen!"
Scharfe Kritik kam auch von den Grünen: Die schwarz-gelbe Bundesregierung lasse zu, dass unter dem „Deckmantel der Terrorbekämpfung“ Bürgerrechte verletzt würden, sagte Fraktionschefin Renate Künast.
Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte "Swift" scharf: „Ich bedauere, dass der Ministerrat sich mit seiner Billigung des Abkommens über die Bedenken des Europäischen Parlaments und der Datenschutzbeauftragten hinweggesetzt hat.“ Besonders kritisch sei, dass damit die Übermittlung einer Vielzahl von Daten über Zahlungsvorgänge mit nur marginalem, indirektem oder sogar nur mutmaßlichem Bezug zum Terrorismus in die USA legitimiert werde, sagte Schaar. „Ich befürchte, dass die Daten auch dann für mehrere Jahre gespeichert bleiben, wenn sich nach der Übermittlung keine ergänzenden und weiterführenden Anhaltspunkte für einen Terrorismusbezug ergeben.“
Markus Jox