Ein Münchner bei der Linken
Begonnen hatte es mit einer Reportage im SZ-Magazin, nun wurde ein Buch daraus: In „Wie ich mal rot wurde“ schreibt der Münchner Journalist über das Jahr, das er als Mitglied bei der Linken in München verbrachte.
AZ: Ihr Buch liest sich wie eine Expedition in ein fremdes Land.
TOBIAS HABERL: Das entspricht den Tatsachen. Es war für mich wirklich so, dass meine Zeit bei der Linken wie eine Reise in ein fremdes Land war. Die führte zwar in meine unmittelbare Nachbarschaft nach Giesing und Laim, aber was dort geschah, war mir viel fremder als die Reise nach Ghana, wo ich kürzlich war.
Was war so fremd?
Das Milieu, die Menschen, auch die Ästhetik. Ich komme aus einer Familie, in der es wenig Klassenkampf und Gewerkschaftsnähe gibt. Da hat es mich gelockt, mal in die Partei einzutreten, die von sich behauptet, für die Armen und Schwachen einzutreten.
Das muss merkwürdig gewesen sein.
Stimmt. Böse Menschen würden mich als verwöhntes Söhnchen bezeichnen und ein bisschen stimmt das auch. Es hat mich Überwindung gekostet, mit der knallroten Parteifahne bei einer Demonstration am Viktualienmarkt vorbei zu ziehen und dabei zu hoffen, dass mich keiner erkennt. Ich habe mich irgendwie geschämt, obwohl es ja gar nichts zu schämen gibt, wenn man für den Frieden demonstriert. Merkwürdig.
Werden Sie die Linke jetzt wählen?
Nein. Ich bin kein Politikwissenschaftler, aber das Gefühl sagt mir: Die Partei will vielleicht das Richtige, aber sie vereinfacht komplizierte Themen wie Hartz IV oder Mindestlohn zu stark.
Jetzt sorgt Ihr Buch natürlich für Ärger bei der Linken.
Dabei habe ich beim Eintritt sogar meinen Beruf genannt. Ich habe nur beim Einkommen ein bisschen nach unten geschummelt wegen des Mitgliedsbeitrags. Ich wollte ja auch gar nicht spionieren, sondern über den Tellerrand schauen.
Was ist Ihre überraschendste Erkenntnis aus dem Jahr?
Ich hatte große Vorurteile gegen die Mitglieder: Streben Sie unter dem Vorwand der Nächstenliebe eigentlich nur die eigene Selbstdarstellung an? So kannte ich viele Linke, und für mich war überraschend, dass ich doch etliche Menschen mit ehrlichem Engagement kennen gelernt habe, zum Teil naiv, zum Teil auch nicht – vor denen ziehe ich den Hut, obwohl ich ihre Überzeugungen nicht teile.
Gehört zu diesen faszinierenden Menschen auch Sahra Wagenknecht?
Bei den Linken gibt es ja einen ganz eigenen, kämpferischen Frauentyp, ganz anders als der, mit dem man gewohnt ist, in Bars zu sitzen: Frauen, die ihr Leben einer Idee unterordnen, das kann durchaus attraktiv sein. Mit Sahra Wagenknecht war ich einen Abend aus, das war nicht nur unsexy. Inhaltlich hat sie mich nicht überrascht, dafür durch Charme und Wärme. Wir haben auch über private Dinge gesprochen, über Reisen und Bücher - ein runder Abend.
Aber es wurde nicht mehr draus.
Nee nee. Wir sind zwar zusammen mit dem Taxi heim, aber erst bin ich ausgestiegen und dann sie.
Tobias Haberl stellt sein Buch am Donnerstag ab 19.30 Uhr in der Jazzbar Vogler vor, Rumfordstraße 17.
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