Ein Mann allein am Ball

Paris - Mit seinem 60-minütigen Fernsehauftritt versucht Nicolas Sarkozy den Befreiungsschlag. Doch er überzeugt auch nicht mehr, als es die Equipe Tricolore während 90 Minuten vermochte
Ein Land ganz unten, in der Politik und im Sport: Nach dem WM-Debakel der Blauhemden kämpft nun auch der Staatschef ums politische Überleben. Ein Fernsehauftritt sollte jetzt den Befreiungsschlag für Nicolas Sarkozy bringen im Vorwurf, illegale Gelder kassiert zu haben. Eine Stunde kämpfte der quirlige Franzose live. Doch bei den Landsleuten hinterließ er auch kein viel besseres Bild als die Equipe Tricolore in ihren 90-minütigen Desaster-Auftritten.
Der Vorwurf wiegt noch immer schwer: Der Präsident soll von Frankreichs reichster Dame, der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, illegal und wiederholt Geldspenden angenommen haben. In seinem TV-Auftritt versuchte Sarkozy eine Mischung aus Angriff und Verteidigung. Als „Verleumdung“ und „Kampagne“ wies er alle Vorwürfe zurück, ohne sie im Detail aufzuklären. Stattdessen wolle er lieber über die wirklich wichtigen Dinge reden, beschied er seinem Interviewpartner: über die Modernsierung Frankreichs. Die sei nämlich die eigentliche Ursache für die Angriffe auf ihn, „Wenn man Reformen anpackt, verärgert man Menschen“, sagte er. „Und die Antwort ist oft Verleumdung.“
Ob das die Taktik ist, die den Präsidenten aus der misslichen Lage befreit? Sicherheitshalber entschied er sich, noch ein paar Prügelknaben mit ins Spiel zu bringen: eben jene unrühmliche Nationalmannschaft, deren Auftreten in Südafrika vielen Franzosen gerade auch am heutigen Nationalfeiertag noch immer auf der Seele lastet. „Das Bild, das das französische Team in Südafrika abgegeben hat?“, fragte Sarkozy rethorisch und redete sich dann in Rage: „Katastrophal! Ich sage: Diejenigen, die verantwortlich sind, müssen gehen. Sie sind mittlerweile gegangen. Die Spieler sollten keine Prämien erhalten. Das werden sie auch nicht.“
Frankreich hat’s aber auch nicht leicht: Erst die eine Staatskrise durch den Fußball, dann die nächste durch den Präsidenten und seine Getreuen. Dazu kommt: Man ist geradezu umzingelt von Ländern, die bei der WM in Südafrika stark abgeschnitten haben: Spanien, Holland, Deutschland – selbst die Engländer kamen ins Achtelfinale. Und Sarkozy mag neidisch auf sein deutsches Pendant Christian Wulff geblickt haben. Der verstand es, auf den Fußballzug aufzuspringen und drängte sich noch in Südafrika ins versammelte DFB-Team. Das wirkte zwar ein wenig penetrant, aber Sarkozy hätte es sicher gerne ähnlich gemacht.
Jetzt bleibt dem Präsident vor allem eine Hoffnung: Dass die Spendenaffäre während der Sommerpause langsam abebbt. Genau das aber will die Opposition nicht zulassen: Sie sieht nach wie vor viele Ungereimtheiten. Und sie glaubt, dass dem Präsidenten in seinem Interview wohl nicht zufällig ein Lapsus unterlief. „Ich bemühe mich, ein anständiger Mensch zu sein“, hatte er gesagt. Doch bemühen – das ist in seinem Fall vielleicht zu wenig.
mue