Ein Lachen als Lohn
Heute ist der Tag des Ehrenamtes. Die AZ stellt vier Münchner vor, die sich engagieren. Christina Westphal arbeitet im ambulanten Kinderhospizdienst der Malteser, Tanja Ramian ist bei der Freiwilligen Feuerwehr, Klaus-Dieter Rother macht Führungen im Deutschen Museum und Marco Doth trainiert blinde Sportler
Beim ersten Kind kam der Tod dann doch überraschend. Alle dachten, das Baby, ein Dreivierteljahr war es alt, sei stabil. Dann der Schock - für die Familie, aber auch für Christina Westphal, die die Familie betreut hat. Seit zweieinhalb Jahren lässt die 56-Jährige den Tod ganz nah an sich heran, und die Trauer über das Sterben eines Kindes. Sie arbeitet im ambulanten Kinderhospizdienst des Malteser Hilfsdienst in Gräfelfing, hat sich zur Hospiz-Helferin ausbilden lassen. „Das Sterben gehört zum Leben“, sagt sie. Der Kinderhospizdienst hilft gleich nach der Diagnose einer lebensverkürzenden Krankheit, unter Umständen über Jahre.
Westphal besucht die Familien daheim, einmal pro Woche. Damit die Mutter mal raus kann. Oder sie kümmert sie sich um die gesunden Geschwister, die oft in der zweiten Reihe vergessen werden. Manchmal hilft den Eltern auch einfach ein Gespräch.
Früher arbeitete sie auf der anderen Seite des Lebens – als Hebamme. „Ich habe Spätabtreibungen von kranken Kindern mitbekommen. Ich habe erlebt, wie Mütter nach der schrecklichen Diagnose überrumpelt wurden und wie dreckig es ihnen danach ging.“ Ihre erste Familie beim Hospizdienst hat sich gegen eine Abtreibung entschieden. „Die Eltern haben ihr Kind in Liebe leben und sterben lassen. Da hat sich für mich ein Kreis geschlossen. “
Für andere engagiert hat sich Christina Westphal schon immer. In Kindergruppen, in der evangelischen Gemeinde, seit Jahren ist sie Schülerlotse, und um eine ältere Nachbarin kümmert sie sich auch noch. Über Ihre Hospiz-Arbeit wundern sich viele Bekannte. „Sie sagen: Mein Gott, was für eine schwere Aufgabe!“ Dann versucht Christina Westphal zu erklären, dass es nicht nur traurig zugeht bei dieser Arbeit. „Auch kranke Kinder sind fröhlich, wir lachen auch viel miteinander“, sagt sie.
Regelmäßig trifft sie sich mit den Hospiz-Kolleginnen, alle paar Monate sprechen sie auch mit einer Psychologin. Doch bei aller Belastung fühlt sich Christina Westphal vor allem bereichert. Neulich hast sie mit einem Geschwisterkind herumgealbert. „Zum ersten Mal habe ich dieses Kind von Herzen lachen und gackern sehen. Das ist für mich wie ein Geschenk des Himmels.“
Am Abend geht Frau Anwältin löschen
Als Kind war Tanja Ramian fasziniert, wenn es bei ihrem Onkel piepste, der plötzlich aufsprang und sich in seine Uniform warf. Mit 15 tat sie es ihm nach, sie ging zur Jugendfeuerwehr. Da saß sie nach den Übungen mit den Kameraden noch im Stüberl – als einziges Mädchen. „Blöde Sprüche gab es aber nicht“, sagt sie. Viele Jahre war Tanja Ramian die einzige Frau in der Freiwilligen Feuerwehr München Stadtmitte.
Heute leitet die 31-Jährige neben ihrem Job als Rechtsanwältin die Stadtjugend. Zwei bis drei Mal pro Woche ist sie abends bei der Feuerwehr, dazu kommen Ganztagsübungen an Wochenenden oder Dienste wie „Fahrzeugpflege“. Da werden die Autos gereinigt, das Öl nachgeschaut, die Kettensägen geprüft. Tanja Ramian war beim Brand der Herz-Jesu-Kirche 1994 im Einsatz und beim Brand am Nockherberg 2000. Wenn es losgeht, mit Blaulicht auf die Straße, dann spürt sie das Adrenalin. „Ich bin dann voll konzentriert.“ Es sind aber auch die kleinen Erlebnisse, für die sie ihr Hobby so mag. „Wenn man einen Keller auspumpt und eine Mieterin bringt einen heißen Kaffee, zum Beispiel.“ Für Ramian ist das Ehrenamt auch Ausgleich. „Manchmal steigert man sich im Beruf in irgendwas rein. Bei einem Einsatz merkst du dann, was wirklich wichtig ist.“ Bei der Feuerwehr hat sie noch viel mehr gefunden: Ihren Mann Florian. Schon lange haben sie gemeinsam gelöscht, bevor die Liebe entbrannte. „Das Gute ist: Wenn es nachts piepst, müssen wir beide aufstehen.“
Der Dampfmaschinenerklärer
Bis zu seiner Rente vor fünf Jahren war Klaus-Dieter Rother Ingenieur – mit Technik hatte er immer viel zu tun. Die bringt der 67-Jährige jetzt im Deutschen Museum jetzt den Besuchern nahe. „Nach meiner Rente wollte ich etwas tun, das der Allgemeinheit zugute kommt“, sagt er. Seitdem macht er einmal in der Woche Führungen durch das Museum, erklärt Schulklassen die Dampfmaschine auf seine Weise. „Vor Leuten zu sprechen ist kein Problem, das bin ich von meinem Beruf her gewöhnt“, sagt Rother. Er will seine Begeisterung für Technik an andere weitergeben. Dass er kein Geld bekommt, stört ihn nicht. „Am meisten freut mich, wenn die Leute nach der Führung klatschen und sagen: ,Das wusste ich gar nicht, ich habe wirklich viel dazugelernt’“. Rother will weitermachen, „solange ich gesund bin.“
Mit Blinden mehr sehen
Am Anfang, als Marco Doth als junger Sportstudent von der Uni zum Behindertensportverein München (BSV) geschickt wurde, war er ein bisschen befangen. „Aber die Blinden waren sehr offen, sie sind sofort auf mich zugegangen“, sagt Doth. Jetzt ist er dreißig, inzwischen hat er auch noch BWL studiert und arbeitet er als Personalberater – dem Blindensport ist er treu geblieben. Er und vier Kollegen sind die Torball-Trainer des BSV. Beim Torball spielen Dreierteams, sie werfen einen Klingelball, am Geräusch erkennen sie, wo der Ball ist oder wie er springt. Da Torball nicht paralympisch ist, fehlt es allerdings immer an Geld.
Zwei Mal pro Woche wird trainiert - dazu gehört vor dem Training auf dem Spielfeld Jogging – auch da brauchen die Seebehinderten und Blinden einen Begleiter. „Wir binden uns ein Schuhband ums Handgelenk, oder an den Finger“, erklärt Doth. Ganz dicht aneinander, im Gleichschritt laufen Blinder und Begleiter. Verbunden sind sie durch das Band – und durch absolutes Vertrauen. Obwohl er der Trainer ist, hat Doth viel von seinen Schützlingen gelernt. „Sie sind optimistisch, jammern nicht, sondern machen einfach das Beste draus. Das hat meinen Horizon erweitert.“ Neben dem Training gibt es Turniere an den Wochenenden. „Ohne die Trainer-Kollegen würde ich das neben dem Job gar nicht schaffen“, sagt Doth. Aufhören will er trotzdem nicht. „Das ist mehr als Sport. Es ist auch eine tolle Gemeinschaft.“ Und er ist stolz auf die Spieler. „Das sind Spitzensportler, höchst spezialisiert, sie sind international ganz oben dabei“, sagt Doth. Was die Fitness angeht, staunt der 30-jährige manchmal selbst. „Einer unserer Spieler ist über 60. Der würde mir auf 10Kilometer davonlaufen.“
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