Ehe für alle: Zoff im Zeichen des Regenbogens
Auf Druck von SPD, Linken und Grünen wird der Bundestag noch in dieser Woche über die "Ehe für alle" entscheiden - gegen den Willen der Unions-Spitze. Die SPD und die Opposition setzten gestern Rechtsausschuss des Bundestages mit knapper Mehrheit durch, dass das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments kommt - an diesem Freitag.
Ein solches rot-rot-grünes Votum gegen die Stimmen der Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern. Eine Mehrheit für die "Ehe für alle" gilt als sicher.
Dem Parlament liegen bereits drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor, von Linken, Grünen und vom Bundesrat. Eine Entscheidung wurde immer wieder vertagt. Über den Antrag der Länderkammer soll nun abgestimmt werden.
Schon seit Jahren gibt es Gezerre um das Thema. Anfang der Woche gewann die Debatte an Tempo, weil Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel überraschend vom klaren Nein der CDU abgerückt war (AZ berichtete). Die SPD nahm das zum Anlass, eine schnelle Parlamentsabstimmung durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Bundestagswahl in die Enge zu treiben.
Die Unions-Spitze hatte sich gegen eine Abstimmung vor der Wahl gesperrt - und wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes nun "Vertrauensbruch" vor. Merkel selbst hatte das Vorgehen der SPD in der Unions-Fraktion am Dienstag laut Teilnehmern als "überfallartig" kritisiert. Auch andere CDU/CSU-Politiker beklagten, dass die SPD das Thema im Eiltempo durchpeitschen wolle. Jenseits der Verfahrensfragen gibt es aber mehrere Unions-Politiker, die inhaltlich für die "Ehe für alle" sind und im Parlament dafür stimmen wollen. Andere lehnen das Vorhaben vehement ab und haben ein Nein in Aussicht gestellt - wie Unions-Fraktionschef Volker Kauder.
Sein SPD-Kollege Thomas Oppermann kündigte an, bei der anstehenden Entscheidung eine namentliche Abstimmung zu beantragen, um offenzulegen, welche Abgeordneten hinter der Ehe für alle stehen.
Falls die Union bei ihrem Widerstand gegen die Aufsetzung des Tagesordnungspunktes bleibt, müsste der Bundestag am Freitag zunächst darüber entscheiden, ob das Thema zusätzlich aufgerufen wird. Es könnte knapp werden: SPD, Linke und Grüne haben zusammen 320 Sitze im Parlament - und damit nur wenige Mandate mehr als die Unions-Fraktion.
Bei der eigentlichen inhaltlichen Abstimmung über die "Ehe für alle" später am Tag gilt eine Mehrheit dagegen als sicher, da neben SPD, Linken und Grünen eben auch mehrere Unions-Leute ein Ja angekündigt haben.
Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an die Partei-Linie binden soll.
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), rechnet mit einer "überwältigenden Mehrheit". Am 7. Juli soll sich der Bundesrat abschließend damit befassen. Künast sagte, die Regelung könne wohl ein paar Wochen später in Kraft treten. "Ich rate schon mal allen Standesämtern in der Bundesrepublik, ihr Personal aufzustocken."
In Deutschland gibt es für schwule und lesbische Paare seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen, die rechtlich aber nicht mit der Ehe gleichgesetzt ist. Künast sagte, wer eine solche Lebenspartnerschaft eingegangen sei, könne beim Standesamt beantragen, dass diese in eine Ehe umgewandelt wird.
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