Edmund Stoiber wäre Kanzler...

... wenn's das Frauenwahlrecht noch nicht gäbe: Zum Jahrestag der Einführung ein paar Rechenspiele. Denn Frauen wählen anders als Männer.
von  Abendzeitung
Weltweit wählt die Mehrheit der Frauen Mitte-Links:  Eine Obama-Wahlparty in den USA.
Weltweit wählt die Mehrheit der Frauen Mitte-Links: Eine Obama-Wahlparty in den USA. © Reuters

BERLIN - ... wenn's das Frauenwahlrecht noch nicht gäbe: Zum Jahrestag der Einführung ein paar Rechenspiele. Denn Frauen wählen anders als Männer.

Exakt 90 Jahre ist es her, dass Frauen in Deutschland wählen dürfen. Heute eine Selbstverständlichkeit. Aber was wäre, wenn nicht? Wie sähen die Wahlergebnisse aus? Wählen Frauen anders? Die AZ hat sich zum Jahrestag die Zahlen angesehen.

In der Tat, Frauen wählen anders. Bis Anfang der 70er Jahre wählten sie deutlich häufiger als Männer die Union – vor allem wegen der Kirchenbindung, so Andrea Wolf vom Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen zur AZ. Heute ist es umgekehrt: Frauen neigen eher zu den Sozialdemokraten. Ein Trend, der weltweit zu beobachten ist, so eine Studie des „Centre for American Women in Politics“: Die Mehrheit der Frauen wählt Mitte-Links, die Mehrheit der Männer Mitte-Rechts.

Das lässt sich auch an den harten Zahlen ablesen. Besonders augenfällig war es bei der Bundestagswahl 2002, als Gerhard Schröder und Edmund Stoiber gegeneinander antraten. Die SPD kam bei den Frauen auf 41 Prozent, die Union nur auf 36. Bei den Männern war es umgekehrt: Union 40, SPD 36, so die Daten der Forschungsgruppe Wahlen. Hätten nur die Herren der Schöpfung wählen dürfen, wäre Edmund Stoiber Kanzler geworden. Erst recht, weil es bei den kleinen Parteien ähnlich ist – mehr Männer als Frauen wählen FDP, mehr Frauen als Männer Grüne.

Mit Merkel konnte die Union bei den Wählerinnen punkten

2005 waren die Unterschiede nicht mehr so groß – da hatte die Union mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Frau aufgestellt. Im Ergebnis war die Union diesmal bei den Wählerinnen genausogut wie bei den Wählern (je 35 Prozent), während die SPD bei den Männern wie immer schlechter wegkam (33 Prozent).

Auch in Bayern gibt es deutliche Unterschiede: Bei der Landtagswahl stimmten 45 Prozent der Männer für die CSU, aber nur 42 Prozent der Frauen. Im Landtag hätte es nach Prozenten ein Patt zwischen der CSU und dem Rest gegeben, und ausgezählt nach all den komplizierten Verfahren hat es natürlich niemand auf die Mann-Frau-Frage hin. Aber rechnerisch wär’s möglich, dass die CSU noch alleine regieren würde, wenn die Frauen nichts zu sagen hätten.

Momentan aber ist es mal wieder ganz anders: Im aktuellen Politbarometer würden 40 Prozent der Männer Union wählen – aber 45 Prozent der Frauen.

So war das historisch mit dem Frauenwahlrecht

Das erste Land, das ein Frauenwahlrecht einführte, war Schweden 1718. Allerdings wurde es dort nach einer Weile wieder zurückgenommen (wie später auch in anderen Ländern). Viele Länder führten das Frauenwahlrecht erst nur für einzelne Gruppen ein: Häufig wurde es auf ledige oder verwitwete Frauen beschränkt – mit der Argumentation etwa in Großbritannien, dass es zu Streit in der Ehe führen könnte und dass verheiratete Frauen ja jemanden hätten, der sie vertritt. In katholisch geprägten Ländern war es oft umgekehrt: Dort durften zuerst nur verheiratete Mütter wählen, weil sie als wertvoller als Kinderlose und Ledige galten. Andere Beschränkungen waren: keine Prostituierte (Österreich), gute Schulbildung (Griechenland), nur Frauen über 40 (Ungarn), Wohlhabende (viele).

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Frauenwahlrecht – wie in Deutschland – in vielen westlichen Ländern eingeführt. Aber nicht in allen: So dürfen Türkinnen seit 1930 wählen, Französinnen erst seit 1945. Ein Nachzügler war die Schweiz: Dort gilt es seit 1971, der Kanton Appenzell wurde 1990 gerichtlich gezwungen. Das bislang letzte Land, das das Frauenwahlrecht eingeführt hat, war Kuwait 2005. In Saudi-Arabien, Bhutan und Brunei gilt es bis heute nicht.

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