Interview

Dubais Dilemma: Forscher Mojib Latif warnt vor Greenwashing bei Weltklimakonferenz

In Dubai startet die Weltklimakonferenz. Klimaexperte Mojib Latif fordert, dass die Ausrichter drastische Maßnahmen ergreifen.
von  Alexander Spöri
Das Jahr 2023 wird voraussichtlich als heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen werden. Auf der Weltklimakonferenz wird es darum gehen, wie dem begegnet werden kann.
Das Jahr 2023 wird voraussichtlich als heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen werden. Auf der Weltklimakonferenz wird es darum gehen, wie dem begegnet werden kann. © imago/Heinz Gebhardt

Inmitten des Glamours Dubais steht die Weltklimakonferenz vor entscheidenden Herausforderungen. Kann Dubai, zwischen unterschiedlichen Interessen und kontroversen Themen, wirklichen Fortschritt im weltweiten Klimaschutz erzielen? Darüber hat die AZ mit dem Experten Mojib Latif gesprochen.

AZ: Herr Latif, wie stehen Sie zu Dubai als Austragungsort der Weltklimakonferenz?
MOJIB LATIF: Mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite muss man die Ölstaaten dazu bekommen, mitzumachen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass die Konferenz in Dubai zu einer Greenwashing-Show wird. Ich hoffe, dass die Ausrichter erkennen, dass auch ihr Geschäft bedroht ist, wenn die Welt im Chaos versinkt.

Mojib Latif ist Klimaforscher, Meteorologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome.
Mojib Latif ist Klimaforscher, Meteorologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. © Imago

Was erwarten Sie von der Konferenz?
Die Vorzeichen, unter denen die Konferenz steht, sind nicht gut. 2023 ist das bisher heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Einen Minimalkonsens gab es bei den Konferenzen immer, der ist aber unbefriedigend, wenn da verschiedenste Länder mit unterschiedlichen Interessen teilnehmen.

Klimaforscher Mojib Latif: "Unterm Strich ist bisher fast nichts rausgekommen"

Annalena Baerbock bezeichnete die Veranstaltung als "riesige Chance für mehr Tempo". Sehen Sie das auch so?
Das muss Baerbock natürlich sagen. Ich sehe es allerdings anders. Es ist inzwischen die 28. Weltklimakonferenz und bisher ist unterm Strich fast nichts dabei rausgekommen. Die Emissionen nehmen zwar nicht mehr so stark zu wie früher, aber sie steigen. Das ist für mich kein wirklicher Erfolg.

Der Leiter der Klimakonferenz ist der Minister für Industrie- und Fortschrittstechnologien. Er ist auch Chef des staatlichen Ölunternehmens in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Es hängt nicht alles am Leiter der Konferenz Ahmad Al-Dschaber. Viele Regierungschefs, unter ihnen der amerikanische Präsident, wie auch der Papst, werden zugegen sein. Auch ich sehe die Rolle Al-Dschabers kritisch. Ein Interessenkonflikt ist sicherlich vorhanden.

Sultan Ahmed al-Dschaber ist Präsident der Weltklimakonferenz. Wegen dem Geschäftsführer eines Ölunternehmens steht die Veranstaltung besonders in der Kritik.
Sultan Ahmed al-Dschaber ist Präsident der Weltklimakonferenz. Wegen dem Geschäftsführer eines Ölunternehmens steht die Veranstaltung besonders in der Kritik. © IMAGO/Beata Zawrzel (www.imago-images.de)

Mojib Latif fordert Ende der fossilen Brennstoffe

Was müsste in Dubai beschlossen werden?
Ein klares Bekenntnis zum Ende der fossilen Brennstoffe innerhalb der nächsten Jahrzehnte. Ich bin allerdings überzeugt, dass es diesen Konsens nicht geben wird. Der Ausbau der Erneuerbaren müsste viel schneller vorangehen als der Abschied von den Fossilen. Im Prinzip geht es schon in vielen Ländern voran, aber zu langsam. Selbst in China – beim größten CO2-Emittenten – kommen die Erneuerbaren mit Wucht. Das ist auch der Verdienst Deutschlands, das die Erneuerbaren bezahlbar gemacht hat.

Müsste man Länder, die gegen die Klima-Regeln verstoßen, sanktionieren?
Man kann die Länder nicht bestrafen. Alles basiert auf Freiwilligkeit. Ich hoffe, dass man sich auf den Konferenzen immerhin vergegenwärtigt, wie dramatisch die Lage tatsächlich ist. Insofern sind die Konferenzen nicht sinnlos, aber auch nicht zielführend.

"Wir müssten Saudi-Arabien Alternativen anbieten"

USA und Frankreich wollen die Atomkraft ausbauen. Saudi-Arabien will nicht auf sein Öl verzichten. Wie sollen diese Länder zusammenkommen?
Wir müssten Saudi-Arabien eine Alternative anbieten, zum Beispiel grünen Wasserstoff. Mit Sonne in der Wüste produziert, den wir dem Land abkaufen. Frankreich wird die Realität einholen – einige Atomkraftwerke kann man bei steigenden Temperaturen im Sommer schlecht kühlen. Außerdem, wo kommt das Uran her? Die Amerikaner sind pragmatisch: Wenn es ein lukratives Geschäftsmodell gibt, gehen sie es ein.

Wieso dauert es so lange, bis endlich Bewegung aufkommt?
Das ist auch die Angst vor Veränderung. Die Welt ist in Bewegung, aber wir in Deutschland bleiben stehen. Wenn wir uns nicht bewegen, dann werden wir die Folgen wirtschaftlich deutlich zu spüren bekommen. Das sehen wir jetzt schon in einigen Industriezweigen.

Klimaschutzprojekte statt Milliardensummen

Jährlich sollen 100 Milliarden US-Dollar an den "Globalen Süden" gespendet werden. Ist das die Lösung?
Durch die Klimaerwärmung können die, die größte Verantwortung tragen, sich gleichzeitig am besten schützen. Die Armen leiden am stärksten, obwohl sie kaum Treibhausgase ausstoßen. Es reicht nicht, Geld in den Globalen Süden zu schicken. Damit retten wir das Klima nicht. Außerdem gibt es sehr viele Länder, die von Korruption durchsetzt sind. Da kann man schwer überprüfen, ob sich die Regierenden mit dem Geld die Taschen vollstopfen. Nachhaltigkeitsprojekte wären eine Alternative, wenn man deren Fortschritt überprüfen kann.

Sie haben das 1,5-Grad-Ziel als "unrealistisch" bezeichnet. Welche Marke empfehlen Sie?
Eine Erwärmung von mehr als zwei Grad sollte es nicht werden. Selbst die würde schon enorme Auswirkungen haben. Dürren, sintflutartige Niederschläge, die Meeresspiegel werden weiter ansteigen. Die Einwohner des Inselstaats Tuvalu werden wohl als erstes ihr Land verlieren – da gibt es jetzt schon Verhandlungen mit Australien, ob sie dort Klimaasyl bekommen.

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