Druck auf Kremlchef Putin wächst wegen Pussy Riot
Moskau/Berlin - Bundesaußenminister Guido Westerwelle, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und Moskauer Intellektuelle fordern ein Einlenken des Kremls. "Die Freiheit der Kunst ist ein unverzichtbares Freiheitsrecht. Das sollte ein starkes Land wie Russland aushalten", sagte Westerwelle der "Rheinischen Post" (Dienstag). Die nach ihrem Putin-Protest in einer Kirche angeklagten drei Musikerinnen erwarten an diesem Freitag ihr Urteil.
Das zu befürchtende Strafmaß von drei Jahren Gefängnis gehe "weit über jede denkbare angemessene Reaktion hinaus", kritisierte EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte laut Mitteilung. Er hoffe auf einen Freispruch für die drei Bandmitglieder Maria Aljochina (24), Jekaterina Samuzewitsch (30) und Nadeschda Tolokonnikowa (22). Ihnen wird Rowdytum vorgeworfen.
In einem offenen Brief an Putin baten russische Journalisten und Politologen eindringlich um die Freilassung der Frauen, von denen zwei kleine Kinder haben. "Wir wenden uns an Sie mit dem Appell, kein Urteil zuzulassen, das die Mädchen ins Gefängnis bringt", hieß es in dem Schreiben, das der Radiosender Echo Moskwy im Internet veröffentlichte.
Unterzeichnet hat demnach auch der prominente Reporter Andrej Kolesnikow, der Putin oft exklusiv begleitet. Das Strafverfahren habe dem Image des Landes bereits einen "bedeutenden Schlag" versetzt, es spalte die Gesellschaft, heißt es darin weiter. Auch wenn die Justiz offiziell unabhängig sei, wisse doch jeder, dass die Praxis in Russland anders aussehe. "Wir verstehen, dass in dem vorliegenden Fall das Schicksal der Angeklagten persönlich von Ihnen abhängt."
Die drei Künstlerinnen sind ungeachtet internationaler Proteste seit März in Untersuchungshaft, die bis Januar 2013 angesetzt ist. Sie hatten in der Moskauer Erlöserkathedrale am 21. Februar für Putins politisches Ende gebetet und dabei auch dem Patriarchen Kirill eine enge politische Partnerschaft mit dem korrupten Machtapparat vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen dieser Aktion drei Jahre Gefängnis beantragt.
Die Verteidigung spricht von einem beispiellosen Justizskandal mit dem Ziel, die Opposition einzuschüchtern. Sie hofft auch angesichts der weltweiten Solidarität auf einen Freispruch für Pussy Riot. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Angeklagten als politische Gefangene anerkannt. Weitere Mitglieder der Band sind auf der Flucht, im Exil oder arbeiten im Untergrund.