Drei Minuten für die Opfer

Die gemeinsame Trauer schweißt das Milliardenvolk nach dem Beben zusammen. Es ist die erste Staatstrauer in der Geschichte der Volksrepublik, die für einfache Chinesen angeordnet wurde. Bislang gab es Schweigeminuten nur nach dem Tod hoher politischer Führer.
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Vereint in der großen Stille: Eltern Lehrer und Schüler der Juyuan-Schule gedenken den Toten. Bei dem schweren Erdbeben vor einer Woche kamen allein an ihrer Schule 700 Kinder und Jugendliche ums Leben.
az Vereint in der großen Stille: Eltern Lehrer und Schüler der Juyuan-Schule gedenken den Toten. Bei dem schweren Erdbeben vor einer Woche kamen allein an ihrer Schule 700 Kinder und Jugendliche ums Leben.

Die gemeinsame Trauer schweißt das Milliardenvolk nach dem Beben zusammen. Es ist die erste Staatstrauer in der Geschichte der Volksrepublik, die für einfache Chinesen angeordnet wurde. Bislang gab es Schweigeminuten nur nach dem Tod hoher politischer Führer.

PEKING Schweigen, drei Minuten lang. Viele Chinesen weinten, den Blick auf den Boden gerichtet. Autos blieben mitten auf der Straße stehen. Die Fahrer hupten ununterbrochen, Sirenen heulten. Ein Milliardenvolk hielt gestern inne. Dann riefen über tausende Versammelte auf dem Platz des Himmlischen Friedens: „China lässt sich nicht unterkriegen.“ Geballte Fäuste recken sich gen Himmel, die rote Nationalflagge flattert auf Halbmast. Es ist die erste Staatstrauer in der Geschichte der Volksrepublik, die für einfache Chinesen angeordnet wurde. Bislang Schweigeminuten nur nach dem Tod hoher politischer Führer.

Sieben Tage, so glauben die Chinesen, wandert die Seele eines Toten noch auf der Erde umher. Am siebenten Tag kommt die Seele ein letztes Mal nach Hause. Nach diesem Glauben müssen im Katastrophengebiet Sichuan gestern um 14.28 Uhr Ortszeit zehntausende Seelen umhergewandert sein.

Gemeinschaftsgefühl durch die Katastrophe

Das schwere Beben schweißt zusammen. Der olympische Fackellauf ist für drei Tage unterbrochen und auch Diskotheken und Karaoke-Bars sollen geschlossen bleiben. Spieleseiten im Internet mussten gesperrt werden – bei Zuwiderhandlung droht die Schließung. Auch Suchfunktionen für Musik oder Videos wurden geblockt. Selbst die Waren- und Terminbörsen in Shanghai und Shenzhen setzten gestern für drei Minuten ihren Handel aus. Die Zeitungen druckten schwarze Trauerbalken. Das Staatsfernsehen zeigte Staatschef Hu Jintao während der Schweigeminuten im Machtzentrum Zhongnanhai. Auch ausländische Botschaften hissten ihre Flaggen auf halbmast. Weltweit liegen in den chinesischen Botschaften Kondolenzbücher aus.

Doch die Menschen in der Erbebenregion kommen nicht zur Ruhe. Schwere Nachbeben erschüttern die verwüsteten Dörfer, Schäden an Häusern reißen weiter auf. Auch versuchen Helfer seit Tagen vergeblich 77 von der Außenwelt abgeschnittene Bergdörfer zu erreichen. Niederschläge erschweren die Bergungsarbeiten: 200 Helfer wurden am Samstag von einer Schlammlawine verschüttet.

Die Hoffnung schwindet

Mit jedem Tag sinkt auch die Hoffnung, noch Lebende unter den eingestürzten Gebäuden zu finden. Helfer haben sich zunehmend auf die Bergung von Toten konzentriert, um dem Ausbruch von Seuchen vorzubeugen.

Und doch konnte gestern eine 50-jährige Frau aus den Trümmern gerettet werden. Laut Medienberichten zeige sie „schwache Lebenszeichen“. Suchgeräte zeigen an, dass es unter den Trümmern weitere Überlebende gebe.

Auch hat das Erdbeben erste politische Folgen: Drei hohe Funktionäre wurden wegen Vernachlässigung ihrer Pflichten entlassen. Aus der Bevölkerung gab es Klagen über die langsame Reaktionen der Männer auf die Katastrophe. Die Regierung will unterdessen alle fünf Millionen Obdachlosen in den nächsten drei Monaten unterstützen: Mit täglich 500 Gramm Nahrungsmitteln und zehn Yuan – etwa 92 Cent – täglich.

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