Dobrindt: Der Rambo-Darsteller

Bisher spielt Alexander Dobrindt den Haudrauf der CSU – mehr aus Kalkül denn aus tiefster Überzeugung. Jetzt bekommt er eine neue Rolle als Minister und starker Mann in Berlin
von  tan
Der General und sein Chef: Seehofer hält große Stücke auf Alexander Dobrindt. Seehofer rechnet ihm vor allem die Rückeroberung der absoluten Mehrheit zu.
Der General und sein Chef: Seehofer hält große Stücke auf Alexander Dobrindt. Seehofer rechnet ihm vor allem die Rückeroberung der absoluten Mehrheit zu. © dpa

Bisher spielt Alexander Dobrindt den Haudrauf der CSU – mehr aus Kalkül denn aus tiefster Überzeugung. Jetzt bekommt er eine neue Rolle als Minister und starker Mann in Berlin

BERLIN Jetzt also die nächste Rolle. Noch hat Alexander Dobrindt den Posten als Raufbold der CSU – wobei er in den letzten Wochen kaum noch rumgeholzt hat, wozu auch, Wahltag war ja schon. Demnächst wird er Minister am Kabinettstisch von Bundeskanzlerin Angela Merkel – und der starke Mann der CSU in der Hauptstadt. Das Keilen auf Knopfdruck wird er dann abstellen, es gehört nicht mehr zur Job-Beschreibung. In der SPD, wo man ihn nach vielen Wochen Koalitionsverhandlungen etwas kennengelernt hat, heißt es: Der ist gar nicht so doof, wie er wirkt, er tut nur so.

Der neue starke Mann der CSU in Berlin? Ja, allein schon, wenn man die Mitbewerber anschaut: Hans-Peter Friedrich, der selbst zugibt, dass er gar nicht Minister werden wollte. Peter Ramsauer, der den Zenit seiner Karriere überschritten hat, was sich auch CSU-Chef Horst Seehofer gern anmerken lässt. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die still nach innen wirkt. Da hat Dobrindt leichtes Spiel.

Dass er in einer Woche als neuer Verkehrsminister verkündet wird, ist quasi sicher, spätestens, seit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sigmar Gabriel live nach Vorlage des Koalitionsvertrags vom „neuen, künftigen Verkehrsminister der CSU“ sprachen. Dass Dobrindt das Ressort übernimmt, spricht übrigens auch dafür, dass die CSU-Spitze tatsächlich glaubt, eine Maut doch noch durchsetzen zu können. Sonst hätte sie das Verkehrsministerium Ramsauer oder der SPD überlassen, um den neuen Mann nicht zu beschädigen.

19 Kilo abgespeckt, neue Hauptstadt-Brille

Die Maut wird also die Gesellenprüfung für den 43-Jährigen aus Peißenberg. Schützenkönig war er in seinem Heimatort, das haben sie anfangs in Berlin belustigt zitiert. Seine Frau Tanja stammt aus dem nahen Huglfing, dem „Schwungrad Europas“, wie Einheimische über ihr recht unaufgeregtes Dorf spotten. Ein gewisser Kontrast zu dem letzten starken Mann der CSU in Berlin, Karl-Theodor zu Guttenberg, der weltläufige Glamour-Baron. Dessen Stern ist verglüht, Alexander Dobrindt ist noch und jetzt erst recht da. Das hat ihm Respekt verschafft in seiner Partei, wo ihn viele anfangs als „Doofbrindt“ verspotteten.

Aber er hat sich auch neu erfunden. Als er 2009 Generalsekretär wurde, eiferte er phänotypisch noch Franz Josef Strauß nach. Seither hat er 19 Kilo abgespeckt, sich eine schwarze Hauptstadt-Brille zugelegt und Anzüge, die auch einem Assistenten der Geschäftsführung stehen würden. Die Vorliebe für deftiges Geholze aber blieb. Er beschimpfte die FDP als „Gurkentruppe“, EZB-Chef Mario Dra- ghi als „Falschmünzer“ und Schwule als „schrille Minderheit“. Er ist überzeugt, dass man das als CSU-General so machen muss, auch heute, 25 Jahre nach Strauß’ Tod. Der Diplom-Soziologe – ein untypisches Studienfach für eine CSU-Karriere – hat kühl analysiert, wie die Wahl 2008 ausging, als die damalige Generalsekretärin Christine Haderthauer auf den Säbel verzichtete und das Florett nahm. Und Schlüsse daraus gezogen.

Nämlich: Auf den Bauch zielen, nicht auf den Kopf. Und: Draufhauen auf Teufel komm raus. Zum Beispiel gegen die Grünen. Er hält sie für eine größere Gefahr für die CSU als die SPD. Also taucht im Internet ein „Männlein-im-Walde“-Filmchen mit Vorschul-Humor gegen die Öko-Partei auf, also stellt er ihren Parlamentarischen Geschäftsführer im Bundestag, Volker Beck, in die Ecke von Pädophilen. Wahrscheinlich hat Dobrindt ein viel kleineres Problem mit den Grünen als viele andere in der CSU, und gegen Beck hat er persönlich überhaupt nichts, sagte er dem „Spiegel“. Und schilderte zum Staunen der Reporter bereitwillig, wie er Empörung am Reißbrett bastelt. Dobrindt greift an, wo seine Analysen es für angebracht halten oder wo es ihm der Chef sagt. Der General wetterte laut gegen die Griechen, bis Seehofer abblies. Seitdem ist Ruhe.

Nur 18 Prozent wollen ihn als Minister

Oder die SPD. Am Anfang der Gespräche gab Dobrindt gelegentlich noch den Provokateur, vor allem gegen Hannelore Kraft. Aber dann schaltete er um. Und viele Genossen, die mit ihm zu tun hatten, erzählen nun, dass er wirklich ein angenehmer Mensch ist – wenn keine Stammtische in Hörweite sind: freundlich, höflich, analytisch klug. Wobei sich manche auch fragen, was unangenehmer ist: Wenn man von jemandem aus tiefstem Herzen beschimpft wird – oder aus reinem Kalkül.

Seine zentrale Gegenspielerin in der SPD ist die dortige Generalsekretärin Andrea Nahles. Neulich hatten die beiden einen netten Abend beim Italiener in Berlin. Sie haben einiges gemeinsam: Beide sind vor nicht allzu langer Zeit Eltern geworden, beide sind im Juni 1970 geboren, beide sind nicht wirklich konfliktscheu, beide leiten die Abteilung Attacke. Bisher freilich gegeneinander. In einer großen Koalition – so sie denn kommt – wären sie die Achse, die halten muss. Kein Problem, sagt Dobrindt, sie seien immer „sportliche Gegner“ gewesen.

Ohnehin werden beide den Posten aufgeben, weil sie Minister werden. Dann beginnt für den ehrgeizigen Oberbayern wieder ein neues Skript. So gut sein Standing in der CSU ist – Parteichef Seehofer schreibt ihm vor allem den Wahlsieg in Bayern zu: Beim Wahlvolk in ganz Deutschland ist sein Image von der Raufbold-Rolle stark geprägt. Im neuen ARD-Deutschlandtrend landete er bei der Frage „Wen hätten Sie gerne als Minister?“ von allen Abgefragten mit nur 18 Prozent Zustimmung auf dem letzten Platz, noch hinter Kanzleramtsminister Ronald „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ Pofalla. Zum Vergleich: Wolfgang Schäuble (CDU) oder Frank-Walter Steinmeier (SPD) kommen auf 70 Prozent und mehr. FDP-Mann Wolfgang Kubicki, selbst dem Säbel nicht abgeneigt, nennt ihn einen „Quartalsspinner“.

Aber Dobrindt arbeitet schon am Imagewandel. Zu Weihnachten versandte er Karten mit einem Spruch von Mutter Teresa (wenn auch auf der Karte falsch als „Theresa“ geschrieben): „... ja, es wird jedes Mal Weihnachten, wenn wir unserem Bruder zulächeln und ihm die Hand reichen.“

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