Dieses Duell ist einmalig: Stoiber und Ude
Diese Konstellation wird es nie wieder geben: Edmund Stoiber feiert eine ganz eigene Mischung aus Abschied und Comeback – und Christian Ude (SPD) seine Premiere
Stoibers letztes Mal: Edmund Stoiber feiert am Aschermittwoch seine Wiederauferstehung – und lässt sich gerührt bejubeln
Das hätte er selbst nicht gedacht. Verlegen greift sich Edmund Stoiber ans Ohr. Gütig nickt er in die Menge, winkt ab und zu. In die Wüste geschickt haben sie ihn vor fünf Jahren, nun kehrt er im Triumph-Marsch zurück an den Ort seiner größten Erfolge. Ehefrau Karin will sich das lieber nicht antun – seine Auferstehung am Aschermittwoch: Er kam alleine nach Passau.
Dort platzt die Dreiländerhalle aus allen Nähten. „Wie bei Strauß“, jubelt einer. Die CSU hat aufgerüstet, wo ihr erstmals die SPD im benachbarten Vilshofen gefährlich werden kann. 60 Fanbusse haben die Anhänger aufgesammelt und für 10 Euro hergekarrt. Viele sind zum ersten Mal da.
Richtig wohl fühlt sich Stoiber nicht in seiner Haut. Den Glanz der guten alten Zeit soll ausgerechnet der Politik-Rentner zurückbringen Jetzt, wo der CSU erstmals die Oppositionsbank droht. Und Seehofer als Ersatz-Staatsoberhaupt leise Töne anschlagen muss. Ein Drahtseilakt für Stoiber: Er darf Seehofer nicht in den Schatten stellen, soll aber die Halle zum kochen bringen.
Die Lage ist sensibel: Schon beim Einzug wird Stoiber bejubelt. Gerührt presst Stoiber seine Lippen zusammen. Auf der Bühne angekommen, hält er wie ein Indianer seine Hand an die Stirn, um die Stammtisch-Gemeinde zu überblicken, als könne er immer noch nicht fassen.
„Stoiber Superstar“ steht auf Plakaten, „Seehofer Wunderbar“ auf anderen. Auf alle Biertischen hat die CSU die Schilder gelegt. Hochgehoben werden sollen die wie im US-Wahlkampf. Das aber kapiert niemand. Superstar und Wunderbar enden als Bierfilzl.
Nach einer Stunde erschallt der erste zaghafte Edmund-Edmund-Chor. „Ich begrüße unseren Mister Aschermittwoch!“, hat Seehofer ihn da gerade willkommen geheißen. Nirgendwo sonst sei so viel Sachverstand wie auf diesem „politischen Hochamt.“
„Die Südkurve, sie steht“, ruft Fußball-Fan Stoiber: „Ich steh’ ja nicht mehr auf dem Spielfeld, ich sitze auf der Tribüne und drücke meiner Mannschaft die Daumen.“ Aber er ist schnell wieder in seinem Element: „Mein erster Auftritt als Redner auf den Aschermittwoch war am 28. Februar 1979. Franz Josef Strauß war Ministerpräsident.“ Der habe gesagt: „Der Edmund wird mit Gottes Segen einen großen politischen Weg machen.“ Tief atmet er durch: „Solche Sätze vergisst man nicht. Ich habe immer alles gegeben. Und ich hoffe, lieber Franz Josef, dass du zufrieden warst.“
Die Kanzlerin lobt er und Joachim Gauck auch: „Man kann auch den zweiten Aufschlag in ein Ass verwandeln. Er ist für Freiheit, Europa und gegen den Türkei-Beitritt, was soll man dagegen sagen.“ Und: Er habe es ja schon immer gewusst, dass „Griechenland trickst“. Aber man habe ihn ja als „ewigen Nörgler aus dem Süden“ abgetan.
Stoibers Stimme läuft heißer, so wie früher, der Pegel schwillt an. Gegen Ausländer und den politischen Gegner will er nicht mehr wüten. Die Drecksarbeit muss CSU-General Alexander Dobrindt übernehmen.
„Stoiber brennt voll Leidenschaft“, jubelt Seehofer. „Es war gut, dass wir ihn eingeladen haben.“ Die Halle singt: „Oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen.“
Einer aber schüttelt den Kopf – Ex-Parteichef Erwin Huber: „Wer die Ikone der Vergangenheit vor sich herträgt, der ist Vergangenheit.“
Udes erstes Mal: Eine neue Erfahrung in Niederbayern: Christian Ude, der Mann von der SPD, lässt ein Bierzelt toben
Er muss nicht eigens einheizen. Es ist ohnehin warm im Festzelt von Vilshofen, und Christian Ude kann sein Glück kaum fassen. Er habe ja schon viel mitgemacht in 45 Jahren SPD, „aber so eine Versammlung habe ich noch nie erlebt“. Man mag es ihm gerne glauben mit dem Blick ins Publikum, denn wann platzt in diesen Breiten ein 3500-Mann-Zelt schon mal aus allen Nähten.
Sicher noch nie in Vilshofen, sicher noch nie in Niederbayern. Im einst tiefschwarzen Kernland herrschten lange die Schwarzen. Hier am Urort der bayerischen Aschermittwochs-Beschimpfungen lief einst Franz Josef Strauß zu Hochform auf. Heute soll es Christian Ude sein. Der Münchner OB, der Sozi, der sich anschickt, die CSU-Dominanz zu brechen im kommenden Jahr, er wird empfangen wie ein Star: „Ude! Ude! Ude!“ So klingt es, wenn Fußballfans einen neuen Mittelstürmer begrüßen, der den verhassten Dauerrivalen endlich abschießen kann.
Es ist sein erster Aschermittwoch und selbst ein erfahrener Publikumsversteher wie Ude hat seine Anlaufschwierigkeiten. Ausflüge in die Geschichte des CSU-Versagens geraten ihm etwas länglich. Knappe Bonmots wie das von den „Bonsai-Strategen“ von der CSU, die es geschafft haben, ihm per Gesetz eine weitere Amtszeit als OB zu nehmen, werden dankbar quittiert: „Ude! Ude! Ude!“ So, als habe der Hoffnungsträger gerade ein Kabinettstückchen vorgeführt.
Er nehme seinen Gegnern den Griff in die Trickkiste nicht übel: „Es ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang, sich gegenseitig in Pension zu schicken“, sagt er: „Das mach ich dann auch!“ – mit Seehofer, meint er. Natürlich werde auch die CSU noch einen Platz in Bayern haben nach der Wahl von 2013. „Wir überlassen ihnen die Ämter in der Opposition.“
Viel herbere Kost gibt es nicht bei dieser Premiere. Den Part hat Sigmar Gabriel übernommen. Quasi als Vorgruppe für Ude kritisierte er Seehofers Betreuungsgeld-Idee: „Der hat sie nicht alle!“
Ude hat versprochen, nicht zu holzen, und er hält sich daran. Er begnügt sich mit den Vorgängen um die Landesbank, „die Bayerns Verschuldung verdoppelt“ haben. Genüsslich schneidet er die Geschichte der Münchner Stadtsparkasse dagegen, die „in Zeiten der Finanzkrise die besten Zahlen ihrer Geschichte vorgelegt“ habe. Weil auch die Stadtwerke von der Stadt „modernisiert“ und die Bayernwerke vom Freistaat verkauft wurden, sei es an der Zeit: „Weil wir bewiesen haben, dass wir’s besser können, liegt es doch nahe, uns die Verantwortung für das ganze Land zu übertragen.“ Er wolle nichts versprechen, „was wir nicht halten können“, sagt Ude: „Das kann Seehofer machen.“ Der müsse ab nächstes Jahr für nichts mehr gerade stehen.
„Besser“ wolle er es machen, „das ist die Steigerung von gut, nicht das Gegenteil“, sagt Ude. „ Ich sage nicht, dass wir gewinnen werden, ich sage nur, dass wir eine Chance haben.“
Alles sehr honorig klingt das, und auch die stehende Ovation im Zelt ist endlich. So mancher im Zelt hätte es wohl gerne etwas deftiger gehabt: „Er ist halt kein Wadlbeißer“, sagt Marianne Firsching. Extra aus Schweinfurt ist die 69-Jährige nach Niederbayern gekommen. Und sie hat es nicht bereut: „Er kann was, und er ist der Richtige.“