„Diese Aufgabe schaffen wir alle nur gemeinsam“

AZ: Frau Wüstinger, Herr Halft, wie geht es den Helfenden vor Ort?
Maria Wüstinger und Stefan Halft: Sie sind noch nicht an der Grenze der Belastbarkeit. Aber es gibt natürlich Tage, an denen sie und auch wir vom Organisationsteam abgekämpft oder müde sind. Aber das liegt in der Natur der Sache.
Was genau meinen Sie damit?
Die, die uns hier kurzzeitig anvertraut werden, sind an der Grenze der Belastbarkeit. Wenn man Mütter mit Neugeborenen versorgt und sich fragt, wann, wo und wie dieses Kind auf die Welt gekommen ist, wenn man Männer weinen sieht, weil sie soeben von ihrer Frau getrennt wurden, das nimmt einen mit.
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Und trotzdem helfen so viele.
Um diese Menschen mit warmem Tee oder einer Decke zu versorgen, vernachlässigen die Helfenden freiwillig und gerne vorübergehend ihr Privatleben. Diese Hilfe kann etwas bewirken. Die Helfenden sagen oft „Helfen spendet Kraft“. Wir bewundern unsere vielen Freiwilligen, die unermüdlich vor Ort Einsatz bringen.
Was haben Sie von den Schutzsuchenden für einen Eindruck, in welchem Zustand kommen sie nach Deutschland?
Grundsätzlich sind sie erleichtert, wenn sie für kurze Zeit in einer Unterkunft zur Ruhe kommen können. Sie sind oft überrascht, dass die Polizei hier ihr „Freund und Helfer“ ist. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei jedem Menschen, der derzeit nach Deutschland kommt, auch um ein individuelles Schicksal handelt. Die Geflüchteten sind Menschen, denen wir menschlich und menschenwürdig begegnen wollen.
Aber wenn so viele Menschen auf wenig Raum zusammenkommen, gibt es Probleme, oder nicht?
Die Menschen sind dankbar für die Hilfe, die sie von allen erfahren und bringen oft zum Ausdruck, dass sie die Chance nutzen möchten. Dass es angesichts der oftmals wenig optimalen Umstände der Unterbringung auch Reibungsflächen gibt, finden wir nicht erstaunlich. Es gibt Wichtigeres als darauf herumzureiten.
Was zum Beispiel?
Viel wichtiger ist, zu begreifen, dass die Hilfe für die Geflüchteten eine vielschichtige Aufgabe ist, die wir nur gemeinsam schaffen können. Gerade der hereinbrechende Winter erhöht die Strapazen, denen vor allem Kinder ausgesetzt sind.
Was wird vor Ort am allermeisten gebraucht?
Zum Glück sind wir momentan nicht mehr so auf Spenden angewiesen, weil sich Strukturen bilden konnten. Als Passau im September Teil der Transitroute wurde, hatten sich diese noch nicht aufbauen können.
Das klappt jetzt besser?
Ja. Am Anfang musste zum Beispiel noch koordiniert werden, dass alle Geflüchteten überhaupt regelmäßig etwas zu essen bekommen. Damals hatte man noch nicht bedacht, dass auch Babys oder an Diabetes leidende Menschen kommen würden, die ebenso versorgt werden sollen. Wenn dann beispielsweise Babyflaschen fehlten, haben wir diese teilweise über Spenden organisiert.
Sachspenden werden momentan eher weniger gebraucht?
Die Versorgung deckt nach wie vor nur die Grundversorgung ab: Die Spenden schaffen keine luxuriösen Zustände und es können immer wieder auch Engpässe auftreten. Wenn wir zu Spenden aufrufen, tun wir das nur, wenn wirklich Bedarf besteht, sodass alle Spenden bestmöglich genutzt werden können. Neben der Erstversorgung mit Essen, warmen Getränken und Decken ist es ebenso wichtig, eine positive Grundhaltung mitzubringen und diese positive Stimmung an die Schutzsuchenden weiterzugeben.
Was ist das erste, das vor Ort passieren muss, damit die Menschen die kommende kalte Jahreszeit besser überstehen?
Wirklich wichtig ist es jetzt, sich besser abzustimmen, zu kooperieren und die logistischen Abläufe zu optimieren. Das bedeutet, Geflüchtete nicht in der Kälte auszusetzen. Es bedeutet, sie mit Decken, warmer Kleidung und etwas Warmem zu versorgen, nicht nur mit Toast und kaltem Wasser. Es bedeutet aber auch, dass die temporären Unterkünfte für die ihnen zugedachte Funktion geeignet, also beispielsweise beheizbar, sein müssen. Auch der Transfer in Erstaufnahmeeinrichtungen muss nun noch zuverlässiger, das heißt, regelmäßig und schnell erfolgen. Es müssen alle Ebenen zusammenarbeiten und dürfen sich nicht in Überforderungsdiskussionen verlieren – ob gerechtfertigt oder inszeniert.
Sie sagen, dass Sie mit Ihrer Organisation noch mehr erreichen wollen als nur Krisenhilfe leisten.
Mit unseren Helfern zusammen möchten wir auch auf lange Sicht dazu beitragen, dass zukünftige Asylbewerberinnen und Asylbewerber und die Bevölkerung der Stadt zusammenwachsen.
"Passau verbindet":
Im Raum Passau kommen täglich rund 5000 Flüchtlinge aus Österreich nach Deutschland. Dass das Grenzgebiet dort nicht im Chaos versinkt, ist Hunderten ehrenamtlichen Helfern zu verdanken. Dass die Freiwilligen auch dort zum Einsatz kommen, wo sie gebraucht werden, dafür sorgt die Initiative „Passau verbindet“. Sie ist entstanden aus „Passau räumt auf“, eine Gemeinschaft, die bereits vor zweieinhalb Jahren bei der Hochwasserkatastrophe in Bayern Tausende Helfer koordiniert hatte. Studenten, Unidozenten und Passauer Bürger orga-nisieren dabei über eine Webseite Hilfe. Dort tragen sich die Menschen, die Zeit für die Flüchtlinge aufbringen wollen, in einen Dienstplan ein. Mehr als 300 Männer und Frauen sind bereits registriert.