Die "zweite Wahl": Regierungschef ohne Volkes Gnade
HAMBURG - In Hamburg ist jetzt Christoph Ahlhaus als Erster Bürgernmeister an der Spitze. Er ist die „zweite Wahl“ - und nicht die der Wähler. Diese "Mogelpackungen" gibt es aber auch in anderen Bundesländern.
Er war in einer schlagenden Verbindung, kommt aus Heidelberg, ist stockkonservativ und Katholik. Seit gestern regiert Christoph Ahlhaus (40) Hamburg als Erster Bürgermeister – nach dem Rücktritt von Ole von Beust. Mit ihm wird die schwarz-grüne Zweckehe in der Hansestadt zum Zwangsbündnis. Gewählt haben ihn die Bürger nicht. Da aber geht es den Hamburgern nicht anders als dem Volk in anderen Bundesländern. Immer öfter servieren ihnen die Parteien nicht die erste Wahl als Regierungschef. Für die Bürger ist das eine Mogelpackung.
Auch in Bayern durfte das Volk nicht entscheiden, ob es Horst Seehofer auf dem weiß-blauen Thron will. Spitzenkandidat war 2008 sein Vorgänger Günther Beckstein. Als er mit der CSU die absolute Mehrheit verlor, wurde er gegen Seehofer ausgetauscht.
Eine Überraschung in Baden-Württemberg war der konservative Haudegen Stefan Mappus (CDU). Er trat in die Fußstapfen von Günther Oettinger, der über Nacht nach Brüssel wechselte. In Thüringen entriss Christine Lieberknecht das Regierungsamt ihrem CDU-Freund Dieter Althaus, nachdem die Christdemokraten vergangenen Herbst fast zwölf Prozent abschmierten. In Mecklenburg-Vorpommern übergab Harald Ringstorff (SPD) seinem zehn Jahre jüngeren Nachfolger Erwin Sellering den Stab.
In Niedersachsen herrscht jetzt David McAllister (CDU) seit 1. Juli, weil Christian Wulff ins Schloss Bellevue umzog. In Hessen schmeißt Roland Koch sein Zepter hin. Als Nachfolger hat er Innenminister Volker Bouffier auserkoren. Die Wähler dürfen dort erst wieder bei der Landtagswahl 2013 entscheiden.
Für die Hamburger und die erste schwarz-grüne Koalition aber ist nicht nur der Regierungschef eine Belastungsprobe: Neuer Innensenator wird ein „Hardliner“, der bisherige Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck. Und der künftige Wirtschaftssenator Ian Karan griff einst dem halbseidenen Rechtspopulisten Ronald Schill finanziell kräftig unter die Arme.
Würde der Hamburger Regierungschef jetzt von den Bürgern gewählt, sähe es eh ganz anders aus. Nach einer Umfrage hätte sich die große Mehrheit für den SPD-Gegenkandidaten und früheren Bundesarbeitsminister Olaf Scholz entschieden. Auf Ahlhaus entfielen nur magere 24 Prozent der Stimmen. bö