Die Wiege in Franken

Zum ersten Mal tritt die Linke in Bayern zur Landtagswahl an - nach derzeitigen Umfragen könnte sie die fünf Prozent schaffen. Dämonen, linksextreme Spinner oder frustrierte Gewerkschafter? Wer hinter der bayerischen Linken steckt - und wo potenzielle Wähler sind.
Verführer“ seien sie, „Dämonen“, „Kader-Geschwader“ die ihre „wahre Fratze“ noch nicht gezeigt hätten, in einem „Kreuzzug“ müssten sie bekämpft werden – wenn man die CSU dieser Tage reden hört, könnte man meinen, der Leibhaftige selbst sei aus dem Höllenschlund ins schöne Bayernland hinaufgestiegen. Gemeint ist aber die Linkspartei. Immerhin: Sie wird vom Verfassungsschutz überwacht. Und alle Parteien scheinen Angst vor ihr zu haben. Aber ist die Linke wirklich gefährlich? Was steckt eigentlich drin, in der Linken?
Es begann am 12. März 2004 mit einer E-Mail. Unter dem Titel „Initiative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ schickte der Nürnberger Gewerkschafter Thomas Händel an 500 Gesinnungsgenossen ein Pamphlet gegen die Sozial- und Rentenpolitik der SPD. „Die SPD hat sich zur Hauptakteurin des Sozialabbaus entwickelt“, heißt es da, und: „Wir gehen diesen Weg nicht mit.“ Unterzeichnet ist der Brief unter anderem von fünf langjährigen SPD-Mitgliedern aus Franken, darunter auch Klaus Ernst, heute Vizechef der Linken. „Das vergisst die CSU bei ihren Hasstiraden: Bayern ist das Geburtsland der WASG und damit eines wichtigen Teils der Linken“, sagt Ernst zur AZ. Heute ist die Linke vor allem in Franken stark, in den schwächelnden alten Industrie-Regionen mit hohem Arbeiteranteil. In München holte die Linke bei der Kommunalwahl 3,7 Prozent, stellt seitdem drei Stadträte.
Von der SPD frustrierte Gewerkschafter bilden immer noch die wichtigste Partei-Basis: Oberbayern-Landtagskandidat Fritz Schmalzbauer ist Geschäftsführer eines Verdi-Bildungsträgers. Die mittelfränkische Kandidatin Anny Heike ist zweite Bevollmächtigte der IG Metall Fürth und Schwaben-Spitzenkandidat Xaver Merk ist Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten in Ulm.
2900 Mitglieder
Heute hat die bayerische Linke rund 2900 Mitglieder – allerdings, so betont die Partei, seien circa 75 Prozent entweder Ex-Mitglieder der WASG oder erst nach der Fusion mit der PDS hinzugekommen. Denn den Vorwurf, linksextreme Spinner und Sektierer unter dem eigenen Dach zu beherbergen, möchte die Linke in Wahlkampfzeiten möglichst zerstreuen – schließlich hatte die Linke in Niedersachsen für Aufregung gesorgt, weil sie DKP-Mitglieder auf ihren offenen Listen kandidieren ließ.
„Natürlich haben wir anfangs auch politische Randgruppen angezogen“, sagt Klaus Ernst. „Die spielen in unserer Mitgliederstruktur aber heute keine Rolle mehr. Jetzt haben wir Zulauf aus allen gesellschaftlichen Schichten. Wir haben Selbstständige, einen niederbayerischen Schuldirektor, Mitarbeiter des Justizvollzugs, genauso wie Menschen, die von Arbeitslosengeld leben müssen." Und Ex-Mitglieder aus allen Parteien – bei der Linken finden sich neben den zahlreichen alten Sozis auch ehemalige FDPler, Grüne und CSUler.
Umfragen sind vielversprechend
Die Umfragen für die Linke sind vielversprechend. Eckhard Jesse, Professor an der TU Chemnitz: „Die soziostrukturellen Voraussetzungen für die Linke sind in Bayern nicht so günstig, weil es hier weniger Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen gibt. Allerdings könnte die Schwäche der SPD für viele links eingestellte Grund sein, die Linke zu wählen.“ Die fünf Prozent, meint er „kann die Partei in Bayern schon schaffen."
Wahlforscher Manfred Güllner hält die Aufregung für übertrieben: „Die CSU hat keinen Anlass zur Sorge“, sagt der Forsa-Chef. „Die Stimmen der Linken kommen von Nichtwählern oder frustrierten SPD-Wählern, aber bestimmt nicht aus dem bürgerlichen Lager.“ Nach Ansicht Güllners ist die Linke eine „Partei älterer Männer“, eine Partei von „Intellektuellen, die ihren Verdruss an gesellschaftlichen Zuständen vor sich hertragen, aber selber gar nicht so arm sind.“ Der Teufel sieht irgendwie anders aus.
Annette Zoch