«Die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt»

Harte Worte findet die Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrsansprache für die Exzesse der Finanzbranche. Doch in der Krise könnten die Deutschen gut bestehen, das Land habe schon ganz andere Herausforderungen gemeistert.
Die Deutschen können nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise mit viel Zuversicht ins neue Jahr blicken. Das Land könne auch 2009 auf seine Kraft und bewährten Stärken vertrauen, sagte sie in ihrer am Dienstag in Berlin vorab veröffentlichten Neujahrsansprache.
Auch 2009 stehe für die Koalition aus Union und SPD der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen an erster Stelle: «Arbeit für die Menschen - das ist der Maßstab unseres Handelns.»
Die Welt sei durch «finanzielle Exzesse ohne soziales Verantwortungsbewusstsein» in eine tiefe Krise gestürzt worden. Manche Banker und Manager hätten «Maß und Mitte» verloren, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: «Die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt. Nur wenn wir diese Ursache benennen, können wir die Welt aus dieser Krise führen.» Der Staat müsse Hüter der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung sein. Wettbewerb brauche Augenmaß und soziale Verantwortung. Diese Prinzipien müssten weltweit eingehalten werden. «Ich werde nicht locker lassen, bis wir solche Regeln erreicht haben», betonte Merkel. Deutschland wolle gestärkt aus der Krise herausgehen. «Das geht, das können wir gemeinsam schaffen.»
Steuerentlastung in Aussicht gestellt
Die Bundesregierung werde Mitte Januar über zusätzliche Mittel für Zukunftsinvestitionen entscheiden, sagte Merkel. «Wir werden Straßen und Schienen ausbauen, aber vor allem moderne Wege der Kommunikation, insbesondere auf dem Land.» Auch für Schulen, Hochschulen und Universitäten werde mehr Geld bereitgestellt. Fachkräften in den Betrieben solle durch politische Unterstützung bei der Kurzarbeit und der Weiterbildung ein Brücke für die kommenden schwierigen Zeiten gebaut werden. «Und wo immer es im Blick auf die nächste Generation verantwortbar ist, werden wir alle, die Steuern und Abgaben zahlen, entlasten», kündigte Merkel an, ohne Einzelheiten zu nennen. Merkel versicherte, nicht alte Fehler wiederholen und Wirtschaft und Umwelt gegeneinander ausspielen zu wollen. «Wirtschaft und Klimaschutz, Klimaschutz und Wirtschaft - das geht zusammen, wenn man es nur will. Und wir wollen es.» Die Kanzlerin appellierte an den Gemeinsinn der Bürger und Politiker. «Auch wenn das kommende Jahr ein Superwahljahr mit der Europawahl, mit mehreren Landtags- und Kommunalwahlen und der Bundestagswahl sein wird, so fühlen wir uns doch in weiten Teilen über die Grenzen der Parteien hinweg unserem Land verpflichtet», sagte Merkel. Das spüre sie in vielen Gesprächen. Sie werde sich im nächsten Jahr regelmäßig mit allen Verantwortlichen treffen und prüfen, wie wirksam die politischen Beschlüsse sind. Dazu gehöre für auch, die führenden Vertreter der Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag persönlich zu unterrichten.
Vergleich mit dem Wiederaufbau nach 1945
«Wir Deutschen haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert», sagte Merkel und verwies auf den Wiederaufbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und die Anstrengungen nach der deutschen Vereinigung. Sie sei überzeugt: «Wenn sich auch im kommenden Jahr jeder an seiner Stelle für etwas einsetzt, das für ihn in diesem Land besonders liebens- oder lebenswert ist, dann wird es uns allen noch besser gehen.» (dpa/AP/epd)