Die Suche nach dem Sündenbock

MÜNCHEN - Warum dieser Absturz? Welche Ursachen Wahlforscher für die CSU-Verluste sehen, welche Rolle Edmund Stoiber gespielt hat und was die Bürger von all dem halten.
So heftig ist eine Partei seit 50 Jahren nicht mehr abgestürzt – das muss massive Gründe haben. Wäre es unter Stoiber anders gewesen? Wer hat der CSU vor allem den Rücken gekehrt? Was hat sie falsch gemacht? Mit diesen Fragen beschäftigen sich jetzt die Wahlanalysen und Wahlforscher.
Identitätsverlust.
„Die CSU ist nicht mehr die bayerische Lebensgefühlpartei“ – das sagen wortgleich der Münchner Professor Werner Weidenfeld und sein Berliner Kollege Oskar Niedermayer. Zum gleichen Ergebnis kommt eine Emnid-Umfrage: Für 55 Prozent der bayerischen Bürger verkörpert die CSU nicht mehr die weiß-blaue Lebensart.
Personal.
Das Tandem kam nicht an. 80 Prozent der Bayern nennen als Kritikpunkt an der CSU, dass sie „kein überzeugendes Führungspersonal mehr“ hat. Günther Beckstein liegt mit 62 Prozent Zustimmung laut Forschungsgruppe gerade so im Mittelfeld deutscher Ministerpräsidenten, Stoibers 80-Prozent-Marke verfehlt er weit. Erwin Huber liegt auf der Image-Skala mit plus 0,1 noch hinter SPD-Fraktionschef Franz Maget.
Stoiber.
Doch auch Edmund Stoiber hätte sein Ergebnis von 2003 nicht mehr erzielt, glauben die Experten – denn dazwischen lag die Flucht aus Berlin und überstürzte Reformen (G8). „Die Ursachen reichen weit in seine Amtszeit hinein“, so Parteienforscher Karl-Rudolf Korte. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner verweist darauf, dass in einer Umfrage vor der Wahl nur 19 Prozent aller Bayern eine Rückkehr von Stoiber wünschten.
Themen.
„Es fehlte der Wahlkampfschlager, das Alleinstellungsmerkmal“, analysiert Schöppner. Mehr als zwei Drittel der Bürger sagen, dass Landesthemen diesmal für sie den Ausschlag gegeben haben – und da hat die CSU bei Themen, die den Bürgern wichtig sind, wie etwa Bildung, deutlich an Kompetenz verloren. Die von der CSU gesetzten bundespolitischen Themen wie die Pendlerpauschale zogen nicht, so der Emnid-Chef: „Diese Blamage war unverzeihbar: Erfolglos die Wiedereinführung von etwas zu fordern, was man selbst mit abgeschafft hat.“ Und die Forschungsgruppe Wahlen urteilt: „Der Linkswahlkampf war erfolglos.“ Die Partei habe keine große Rolle gespielt.
Abtrünnige Wähler.
Die CSU hat bei weitem mehr enttäuschte Anhänger allein an Freie Wähler und FDP (insgesamt 270000) verloren als ans Nichtwähler-Lager (130000). „Das heißt, sie wollten bewusst einen Denkzettel verteilen“, so die Forschungsgruppe Wahlen. Besonders drastisch sind die Verluste bei den Erstwählern (von 62 auf 37 Prozent), rechnerisch besonders schmerzlich der Einbruch bei den 30- bis 44-Jährigen (57 auf 38 Prozent) und den 45- bis 59-Jährigen (60 auf 37). Nach Berufsgruppen sind die Einbrüche bei Arbeitern, Angestellten und Selbstständigen ähnlich hoch. Bei Rentnern (minus elf Prozentpunkte) und Beamten (ebenfalls minus elf) kann sie sich noch am besten halten.
Und das denkt der Bürger:
Die bayerischen Wähler sind am Tag danach hochzufrieden. 72 Prozent sagen laut Infratest: Dieser Wahlausgang ist gut für Bayern – sogar 54 Prozent der CSU-Wähler.
tan