Die SPD im Tief: Hoffen auf den Schlussspurt

MÜNCHEN - Es liegt nicht nur an Ulla Schmidt: Der Wahlkampf der Genossen will einfach nicht in Fahrt kommen. Jetzt beschwört die Partei den Last-Minute-Trend von früher. Doch damals gab es Flut und Schröder.
Drei Tage lang hatten sie sich zurückgezogen, um sich intern auf den Wahlkampf einzuschwören. Gestern nun schwärmten die Sozialdemokraten wieder aus, um dem Wahlvolk frohe Kunde zu unterbreiten. Nach dem Motto: „Wir können’s noch schaffen, wir müssen’s nur wollen.“
Doch wie es eben ist bei den Genossen: Auf jeden Aufbruch folgt ein Hammer, wieder mal in Gestalt einer Umfrage: Nur 13 Prozent der Deutschen halten es laut Emnid für realistisch, dass Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier das Blatt noch einmal wenden kann. Die gute Nachricht ist bestenfalls die, dass der Boden womöglich erreicht ist. Die unsägliche Dienstwagenaffäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die SPD nicht weiter nach unten rauschen lassen: Sie legt sogar um einen Punkt auf 24 zu.
Das sind noch immer elf Punkte weniger als für die Union. Und die ohnehin leise Stimme von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz wird auch nicht richtig durchdringend, als er am Freitag Vormittag am großen Konferenztisch in der Abendzeitung sitzt (siehe Bericht unten): „Es gibt niemanden bei uns, der sagt: Mit diesen Umfragezahlen bin ich zufrieden - das ist doch klar", flüstert Scholz beinahe. Und versucht bei seinem Besuch in München zumindest einen dynamischen Eindruck zu machen: Mit SPD-Fraktionschef Franz Maget joggt er durch den Englischen Garten.
Ihn, den Generalsekretär der Schröder-Zeit, muss die Lage besonders schmerzen. Und noch immer recht leise versucht er klarzumachen, wie sich seine Genossen nun verkaufen wollen in den nicht einmal mehr zwei Monaten bis zur Wahl. 2002: hoffnungslos hinter Edmund Stoiber zurück und am Ende doch die Wende geschafft. 2005: hoffnungslos hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel, am Ende fast noch gewonnen und zumindest Juniorpartner in der Bundesregierung geworden. Und 2009? „Ich sage vorher, dass wir es zum Wahltermin schaffen, mit einer Aufholjagd wie 2002 und 2005.“
Vom Professor zum Baron
Da müsste noch richtig was passieren. In den letzten beiden Wahlen gab es Geschichten wie die Oderflut und den Irakkrieg und einen bis zur Besinnungslosigkeit wahlkämpfenden Gerhard Schröder. Es gab den Quereinsteiger Paul Kirchhof mit umstrittenen Steuerideen, den man als „Professor aus Heidelberg“ madig machen konnte.
Und heute? Der Versuch, einen Atomwahlkampf vom Zaun zu brechen, war schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Und selbst Gerhard Schröders Proll-Nummern ziehen nicht mehr: Für ganz kurze Zeit fand es die SPD eine gute Idee, den jungen CSU-Wirtschaftsminister KT zu Guttenberg zum Feindbild zu erklären: Als „diesen Baron da aus Bayern“ versuchte Schröder Guttenberg runter zu reden: Das Resultat ist symbolhaft für die Pleiten-Pech-und-Pannen-SPD: Guttenberg stieg zum beliebtesten Politiker der Republik auf. Und Schröder schweigt seitdem.
Was bleibt? „Wir müssen auf die Wähler setzen“, sagt Scholz. „Auch 2002 hat man uns ja nicht wegen der Flut gewählt, sondern weil die Wähler noch einmal ins Nachdenken kamen.“ So pfeifen die Sozis derzeit im Wahlkampfwald. Andere sind noch forscher: Andrea Nahles zum Beispiel, die quirlige Vizechefin: Sie verspricht „eine Wahnsinnsaufholjagd“ wie 2005. Und gemünzt auf Bremens früheren SPD-Bürgermeister Henning Scherf („30 Prozent für uns wären wunderbar“) meint Nahles, dieses Ziel sei doch „unterambitioniert“.
Man wird sehen. Scholz lässt sich derweil lieber nicht auf Zahlenspiele ein. Seine Parole: „Kämpfen bis zum Wahltag, die Ärmel hochkrempeln. Und lässig bleiben."
Frank Müller