Die Seilschaften in der Sixtinischen Kappelle

Es geht los: 115 Kardinäle wählen ab heute das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. Wer die mächtigsten Fraktionen stellt und wer aktuell als Favorit gehandelt wird  
von  tan
Wer wird der Nachfolger von Papst Benedikt XVI.?
Wer wird der Nachfolger von Papst Benedikt XVI.? © dpa

 

Es geht los: 115 Kardinäle wählen ab heute das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. Wer die mächtigsten Fraktionen stellt und wer aktuell als Favorit gehandelt wird

ROM Jetzt wird’s ernst: Heute beginnt die Wahl des neuen Oberhaupts von 1,2 Milliarden Katholiken. Die Fraktionen und Seilschaften im Vatikan haben sich längst in Stellung gebracht. Als Topfavorit wird aktuell Angelo Scola (71), Erzbischof von Mailand, gehandelt. Doch das Konklave aus 115 Kardinälen kann seine Eigendynamik entwickeln.

Bis zum Palmsonntag am 24. März soll der neue Papst gefunden sein – Ostern ohne Kirchenoberhaupt ist für viele im Vatikan eine Schreckensvision. Doch nach den Vorgesprächen stellen sich manche auf ein langwieriges Verfahren ein. Es gibt keine Kandidaten oder offiziellen Bewerbungsreden, sondern es wird viermal am Tag gewählt (siehe unten). Die 115 wahlberechtigten Kardinäle dürfen während der gesamten Zeit keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben, weder aktiv noch passiv. Telefon, Internet, Radio, Zeitungen, Briefe, Fernsehen sind streng verboten. Die Sixtinische Kappelle ist auf Wanzen untersucht worden.

Dann wählen die Kardinäle solange, bis einer der ihren auf 77 Stimmen kommt. Die stärksten Gruppen sind zum einen die Italiener (28 Kardinäle) und zum anderen die Vertreter der Kurie in Rom (31 Kardinäle, zum Teil Überschneidungen): Wenn sie sich verbünden und den Heimvorteil nutzen, könnten sie die anderen überrumpeln und eine schnelle Entscheidung herbeiführen – denn die anderen Fraktionen müssen sich erst auf einen Kandidaten einigen, der sich in den ersten Wahlgängen als papabile herauskristallisiert. Und viele Italiener wollen den Papst-Stuhl nach dem Polen und dem Deutschen wieder heimholen.

Doch: Der Block hat Risse. Es gibt einerseits Spannungen zwischen Nord- und Süditalienern, andererseits Vorbehalte gegenüber der mächtigen Kurie – auch, weil unklar ist, wer wie tief in den Vatileaks-Skandal verwickelt ist. Das allerdings könnte für den Mailänder Scola sprechen, der laut italienischen Medien schon im ersten Wahlgang auf die Hälfte der erforderlichen 77 Stimmen kommen könnte: Er ist Italiener, aber kurienfern – könnte also auch Stimmen anderer europäischer Kardinäle bekommen.

Hochgehandelt wird auch der deutschstämmige brasilianische Kardinal Odilo Scherer: Er ist ein Mann der Kurie, spricht aber auch die Fans eines nicht-europäischen Kirchenoberhaupts an. Überraschend hoch im Kurs stehen auch amerikanische Kandidaten wie Sean Patrick O’Malley, die als Kompromiss- und Reformkandidaten gelten.

Neben den geografischen Fraktionen (grob unterteilt in Italien, Rest-Europa, Nicht-Europa), den machtpolitischen (Kurie, Ordensvertreter) gibt es aber noch die inhaltlichen: konservative Hardliner gegen Vertreter einer Öffnung. Vatikan-Experte Peter Hertel geht von einem harten Kern von 40 Ultra-Konservativen aus, die Opus Dei nahestehen, plus 20 Unterstützer – die 77-Stimmen-Marke schaffen sie alleine aber nicht. Ebenso stellt Europa mit 60 Kardinälen zwar den größten Block, hat aber auch nicht die Mehrheit. Selbstverständlich überschneiden sich all diese Gruppen – und jetzt werden sie zusammen eingesperrt. Bis weißer Rauch aufsteigt.

Und so sieht der Tagesablauf im Konklave aus: 

Am heutigen Dienstag:

7.00 Uhr: Einzug der Kardinäle ins Gästehaus

10.00 Uhr: Messe „Pro Eligendo Romano Pontifice“. Dabei wird der Beistand des Heiligen Geistes erbeten, um einen würdigen Papst zu finden

16.30 Uhr: Einzug in die Sixtinische Kappelle

19 Uhr: Verbrennung der Wahlzettel vom ersten Wahlgang. Abendgebet.

Alle folgenden Tage:

8.15 Uhr: Messe.

ca. 9.30 Uhr: Beginn der ersten beiden Wahlgänge

ca. 12 Uhr: Verbrennen der Zettel: Es steigt schwarzer oder weißer Rauch auf.

13 Uhr: Mittagessen

16.50 Uhr: Beginn der anderen beiden Wahlgänge.

ca. 19 Uhr: Verbrennen der Zettel.

ca. 20 Uhr: Abendessen.

Die Öffentlichkeit erfährt also entweder um 12 oder um 19 Uhr von der Wahl eines neuen Papstes. Ist bereits der erste Wahlgang eines Vor- oder Nachmittags erfolgreich, werden die Zettel gleich verbrannt (ca. 10.30 oder ca. 17.30 Uhr).

 

 

 

 

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