Die Revolte wächst
FDP-Vorstandsmitglied fordert offen den Sturz von Guido Westerwelle: „Er muss als Parteichef Konsequenzen ziehen.“ Andere hätten ihn lieber als Außenminister weg – eine Partei in der Krise.
Berlin - Die Angriffe werden immer offener. Guido Westerwelle wird aus der eigenen nun immer unverhohlener zum Rücktritt aufgefordert, mal von diesem Amt und mal von jenem. Andere analysieren schonungslos den desaströsen Zustand der Partei. Noch gibt es keinen Königsmörder, aber es wird eng für den FDP-Vorsitzenden.
Am deutlichsten wurde FDP-Vorstandsmitglied Jorge Chatzimarkakis: „Wer als Parteivorsitzender Schicksalswahlen verliert, muss als Parteivorsitzender Konsequenzen ziehen.“ Westerwelle müsse noch vor dem Parteitag seinen Rückzug ankündigen. „Er hat die Doppelbelastung im Außenamt und Parteivorsitz nicht überzeugend bewältigt.“ Als natürlichen Nachfolger nannte Chatzimarkakis den jungen Generalsekretär Christian Lindner: „Er traut sich, gegen den Strich zu bürsten und die Wahrheit auszusprechen. Und er kettet sich nicht sklavisch an die Union wie Westerwelle.“ Chatzimarkakis: „In der FDP brodelt es. Westerwelle darf die Debatte nicht unterschätzen.“
Andere in FDP fordern ebenfalls den Rücktritt von Westerwelle – aber als Außenminister. Saar-Fraktionschef Christian Schmitt: „Als Außenminister ist er ungeeignet. Er hat mich in den anderthalb Jahre nicht überzeugt.“ Parteichef könne er bleiben – und dann zusätzlich Fraktionschef werden. Als solcher habe er ja früher „gute Arbeit“ geleistet.
Die Nachwuchsriege will eine Debatte „mit Ruhe und Anstand“
Andere formulieren keine Rücktrittsforderungen, ihre Kritik ist aber ebenso deutlich. „Die Partei ist in einer Existenzkrise“, sagt Gerhart Baum. „Es ist ein Vertrauensverlust bei liberalen Wählern seit langem. Es ist nicht nur ein Problem Westerwelle, aber es ist auch ein Problem Westerwelle.“ Der FDP-Chef von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, warf der Parteiführung vor, den Ernst der Lage zu verkennen. „Das ist fast wie Kabarett.“ Es könne nicht so weitergehen. Wenn Westerwelle im Mai wieder antrete, werde er auch gewählt. „Alles andere würde die Partei zerreißen. Aber er muss sich neu erfinden.“
Die Riege an Nachfolgern hält sich trotz der Anfeuerungen von außen aber noch immer zurück. Daniel Bahr, der als neuer Gesundheitsminister gehandelt wird, falls Rösler Brüderle als Wirtschaftsminister ablöst, mahnte eine „Debatte mit Ruhe und Anstand“ an. Westerwelle habe so viele Verdienste, dass die Diskussion unter seiner Führung stattfinden müsse. Aber auch Bahr sagt: „Klar ist, es kann nicht so bleiben, wie es ist.“
Auch Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schließt einen Rücktritt Westerwelles nicht mehr aus: „Diese Frage gehört in den Kreis unserer Gesamtüberlegungen für ein Personaltableau.“