Die Rechenspiele
MÜNCHEN - Selten war eine Wahl so spannend: Verliert die CSU ihre absolute Mehrheit? Die AZ hat mal durchgerechnet, welche Szenarien sich ergeben könnten - was wäre, wenn...
CSU-Wunschtraum I: 50 plus x.
Nach den letzten Umfragen derzeit nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen: Die CSU kommt über 50 Prozent (notfalls mit einer Stimme). Das sichert ihr auf jeden Fall die absolute Mehrheit im Landtag und erspart ihr die gefürchtete Koalition, vollkommen egal, wie die anderen Parteien abschneiden und welche nun reinkommen oder nicht.
CSU-Wunschtraum II:
Die Zwei-Drittel-Mehrheit. Noch weniger wahrscheinlich als Traum I, aber rechnerisch möglich, selbst wenn sie unter 50 Prozent bleibt – dann nämlich, wenn alle Parteien, die jetzt draußen sind, auch draußen bleiben. Rechenbeispiel: FDP, Freie Wähler und Linke haben unter fünf Prozent (zum Beispiel 4,9); die SPD hat 20, die Grünen 10, die CSU um die 45. Dann hätten die Nicht-CSU-Parteien im Landtag zusammen 30 Prozent. Zwar werden ihnen auch noch Anteile der Rausgefallenen zugeschlagen, doch könnte es für eine Zwei-Drittel-Mehrheit an Abgeordneten für die CSU gerade so reichen.
Wahlforschers Annahmen I, halbwegs günstig für die CSU:
50 minus x in Prozenten, aber die Mehrheit im Landtag hält. Weitgehend deckungsgleich sind die beiden jüngsten Umfragen von Infratest und der Forschungsgruppe Wahlen – zumindest im Ergebnis. Danach kommt die CSU jeweils auf 47 Prozent, alle übrigen im Landtag vertretenen Parteien auf 45 Prozent (bei kleineren Verschiebungen innerhalb des Oppositionslagers je nach Umfrage). Das würde bedeuten: Die CSU muss Federn lassen und verfehlt die magische Marke 50, behält aber die absolute Mehrheit im Parlament und kann weiter alleine regieren. Ähnlich sieht es die GMS-Umfrage, die das Kräfteverhältnis sogar auf 48 zu 43 Prozent taxiert. Bei allen drei Umfragen ist die Linke draußen.
Wahlforschers Annahmen II, weniger günstig für die CSU:
Die aktuellste Umfrage ist von Emnid – und sie sieht die absolute Mehrheit der Regierungspartei akut gefährdet. Hier steht die CSU mit 49 Prozent zwar etwas besser da als bei den anderen Meinungsforschern, doch hier ist – und das macht den Unterschied aus – auch die Linke im Maximilianeum vertreten. Das heißt, das Kräfteverhältnis im Landtag ist zwischen CSU und dem restlichen Block bei 49 zu 48 Prozent. Hat auch nur eine der übrigen Parteien einen Prozentpunkt mehr als von Emnid gemessen (SPD 20, Grüne 8, FDP 8, Freie Wähler 7, Linke 5), oder die CSU auch nur einen einzigen Prozentpunkt weniger, ist die absolute Mehrheit im Landtag dahin. Die CSU kann ohne Partner nicht regieren.
Oppositions-Träume I: Brechen der CSU-Mehrheit.
Grundsätzlich gilt: Je mehr kleine Parteien, die jetzt nicht drin sind, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, desto schwerer hat es die CSU, ihre Mehrheit der Mandate zu verteidigen. Bei einem Drei-Parteien-Parlament (siehe CSU-Wunschtraum I) tut sie sich noch halbwegs leicht. Bei vier oder fünf Parteien im Maximilianeum wird es schon schwieriger für die CSU. Aber selbst in diesem Fall würden ihr zum Beispiel bei den Wahlforscher-I-Umfragen 46 Prozent für eine Fortsetzung der Alleinregierung reichen. Wenn allerdings die Reinkommenden besser abschneiden als in den Umfragen, wird es auch hier knapp.
Bei einem Sechs-Parteien-Parlament – falls es alle drei Newcomer FDP, Freie Wähler und Linke schaffen – , ist die CSU-Mehrheit ernsthaft in Gefahr. Hier braucht die Regierungspartei im Wahlforscher-II-Modell mindestens 49 Prozent, um ihre Herrschaft zu sichern. Entsprechend zentral ist die Frage, ob die Linke reinkommt. Zwar sehen die Umfragen sie überwiegend bei nur vier Prozent – doch das war bei der Landtagswahl in Niedersachsen auch so. Und dort holte sie schließlich an den Urnen 7,1 Prozent.
Oppositions-Träume II: Mehrheit jenseits der CSU.
Von politischen Unvereinbarkeiten abgesehen, auch rechnerisch kaum denkbar. Denn es gibt noch die Sonstigen (ÖDP etc), die zusammen auch einige Prozente holen – und die im Landtag sozusagen im Anti-CSU-Lager wieder fehlen. Das heißt, ein Fünfer-Bündnis müsste nicht nur die CSU überholen, sondern auch den Anteil der Sonstigen wettmachen.
Störfaktoren:
Das wunderbare bayerische Wahlrecht wartet mit einigen Besonderheiten auf, die zu Verschiebungen führen können. So werden die Sitze nicht nach dem landesweiten prozentualen Ergebnis verteilt, sondern nach den sieben bayerischen Bezirken. Wenn also in Niederbayern – wie beim letzten Mal – bei einer relativ niedrigen Wahlbeteiligung relative viele Bürger für die CSU stimmen, bringt das zwar wenige Prozente (weil wenige an der Urne waren), aber viele Sitze (weil Niederbayern eine fixe Anzahl an Mandaten zusteht, und die nach dem dortigen Ergebnis verteilt werden).
Und dann gibt es noch den Passus, dass eine Partei, die mehr absolute Stimmen – also tatsächliche Kreuzerl – hat als die anderen im Landtag vertretenen Parteien, automatisch die Mehrheit der Sitze bekommt; notfalls wird die Zahl der Mandate im Maximilianeum halt so lange aufgestockt, bis es passt. Aber da wollen wir lieber nicht ins Detail gehen. Von den Überhangmandaten ganz zu schweigen.
Anja Timmermann
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