"Die Pille danach" spaltet die Koalition

SPD, Grüne und Linke wollen, dass das Verhütungspräparat rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden kann. Die Union ist dagegen. Und auch die Experten sind gespalten.
von  Agnes Vogt

München - Wenn die Grünen und die Linke entscheiden könnten, würden Mädchen und Frauen bald in der Apotheke die „Pille danach“ bekommen können, ohne vorher beim Frauenarzt gewesen zu sein. Unterstützt werden sie in diesem Vorhaben auch von der regierenden SPD.

Aber die Union mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stellt sich gegen diesen Vorschlag zur Empfängnisverhütung. Die SPD wirft ihm deshalb Blockadepolitik vor. Die Grünen und auch die Linke hatten gestern einen Antrag auf Freigabe des Artzney in den Bundestag eingebracht – die Debatte fand nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt. Gröhe will, dass Frauen vor der Einnahme der Pille von einem Arzt gründlich beraten werden.

So sehen das auch die CDU-Abgeordneten Jens Spahn und Karin Maag: „Frauen, die befürchten, nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr schwanger geworden zu sein, brauchen eine kompetente Beratung.“ Ein Argument, dass der Arzt und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zwar verstehen, aber nicht akzeptieren will. „Als Arzt habe ich die Studienlage geprüft. Das Präparat ist ausgesprochen sicher“, sagt er in der „SZ“.

Auch Hilde Mattheis (SPD) geht auf Konfrontationskurs zur Union. „Ich glaube, dass wir als SPD in wichtigen und zentralen Punkten unsere Position durchaus weiter vertreten sollten“, sagte sie in der ARD. Sie verwies auf positive Erfahrungen in anderen Ländern und warb für eine fraktionsübergreifende Lösung.

Das Nationale Netzwerk Frauen und Gesundheit kritisierte ebenfalls die ablehnende Haltung: "Mädchen und Frauen wird in Deutschland nicht zugetraut, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu entscheiden, ob sie die Pille danach benötigen", heißt es in einer Stellungnahme des Netzwerkes, dem unter anderem Pro Familia und der Deutsche Hebammen Verband angehören.

Zu den Befürwortern zählt auch der in der Schwangerenberatung tätige katholische Laienverein "Donum Vitae" Nordrhein-Westfalen. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Donnerstag zitierte aus einer Stellungnahme der Landesvorsitzenden Ursula Heinen-Esser, die in der bestehenden Rezeptpflicht "eine unnötige Hürde für eine rasche Anwendung" sieht. Die Freigabe sei "keine medizinische, sondern eine ethisch-moralische Frage", heißt es weiter.

Maria Eichhorn, Landesvorsitzende von Donum Vitae in Bayern allerdings ist strikt dagegen. "Wir sehen es problematisch, wenn die ,Pille danach’ frei in der Apotheke zu bekommen wäre. Sie ist schließlich keine Kopfschmerztablette, sondern eine Hormonbombe mit erheblichen Nebenwirkungen“, sagt Eichhorn im Gespräch mit der AZ. „Andere Artzney mit einer ähnlichen starken Wirkung müssen schließlich auch vom Arzt verschrieben werden.“ Außerdem weist Eichhorn darauf hin, dass die „Pille danach“ bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden kann.

„Es gibt also für die Frauen genügend Zeit, sich vom Arzt beraten und die Pille verschreiben zu lassen, ehe die 72 Stunden abgelaufen sind. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der ,Pille danach’, bei dem der Arzt beratend tätig wird, ist sehr wichtig“, sagt Eichhorn.

Christian Thaler, Leiter des Hormon- und Kinderwunschzentrums betont, wie wichtig die Beratung der Mädchen und Frauen ist, die nach ungewolltem Geschlechtsverkehr um die „Pille danach“ bitten. „Ich glaube, dass der zuständige Frauenarzt nach einem Gespräch mit der Betroffenen über den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs und der Periode beurteilen kann, ob die Möglichkeit einer Schwangerschaft überhaupt besteht“, sagt er zur AZ.

Man könne so eine völlig unnötige Einnahme der Pille verhindern. Auch weist er darauf hin, dass Frauen in echten Notlagen mehr als nur die „Notfallpille“ vom Apotheker bräuchten. „Oft ist das ein guter Zeitpunkt, um mit den Frauen generell über Verhütung nachzudenken. Sollten sie durch Gewalt oder Nötigung in diese Situation gekommen sein, ist es gerade wichtig, dass ein Arzt mit ihnen ins Gespräch kommt und sie danach gegebenenfalls auch beobachtet.“

 

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