Die offene Wunde der Welt
Vor fünf Jahren begann die Irak-Invasion. Was hat der Krieg gebracht? Von einem Sieg spricht nur US-Präsident Bush. Ein Scheinfrieden ist die beste Nachricht zum Jubiläum.
Es fahren Autos über die Brücken, die US-Botschaft veranstaltet Flohmärkte, und der Handy-Händler im Bagdader Stadtviertel Karrada hat wieder Frauen als Kunden. Es gibt wieder so etwas wie Leben in Iraks Hauptstadt, es gibt Normalität, wo vor einem Jahr noch gefesselte Leichen am Straßenrand lagen, wo jede Autofahrt mit akuter Lebensgefahr verbunden war. Ist das Frieden? Am 20. März vor fünf Jahren begann die Irak-Invasion. Was hat der Krieg gebracht? Von Sieg spricht nur George Bush. Und viele Vernünftige sagen: Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen. Der Irak bleibt die Wunde der Welt.
Am 20. März 2003 rollten die ersten Panzer der Amerikaner und Briten über die Grenze von Kuwait in Saddam Husseins Reich. Unter den Fanfarenstößen einer patriotischen US-Presse kam der Vormarsch schneller voran als erwartet. Schon am 9. April fällt Saddams Statue in Bagdad, auch wenn sein Sprecher da noch sagt, man werde die „Mägen der Amerikaner in der Hölle rösten“. Doch den US-Truppen verging das Lachen recht schnell. Und auch George Bush, der am 1. Mai unter einem Slogan wie aus einem Video-Spiel („Mission erfüllt“) das Ende der größeren Kampfhandlungen erklärte, weiß es mittlerweile besser.
Haarsträubende Fehler
Fast fünf Jahre später fragen sich die Experten, wie die Aktion so grandios schief laufen konnte, und wie der Schlamassel im Irak, der den Ruf der USA in der ganzen Welt schwer beschädigt hat, jemals wieder repariert werden kann. Die Fehler, die gemacht wurden, sind in der Tat haarsträubend. So löste Paul Bremer, eine Art Vize-König der Kriegsherren Bush und Donald Rumsfeld, im Alleingang die irakische Armee auf. Resultat waren Bataillone arbeitsloser Soldaten, die sich nur zu gern entlang ihrer religiösen Zugehörigkeit in schiitischen oder sunnitischen Milizen organisierten. Das war den Kriegsherren in Washington zunächst egal, konnten sie doch sogar noch Saddam Hussein aus einem Erdloch ziehen: „We got him“ jubelte Bremer. Wir haben ihn.
Vor allem hatten sie Ärger, die Amerikaner. Die Bilder aus dem Gefängnis von Abu Ghraib, wo schon Saddam folterte, und wo jetzt US-Soldaten ebenfalls folterten, waren im April 2004 ein weltweites PR-Desaster: Die Überbringer der Demokratie als Besatzer, die Botschafter der Menschenrechte als Menschenschinder.
Plötzlich mischte Al Kaida kräftig mit
Es kam noch schlimmer. In den Jahren 2004 und 2005 explodierte die Gewalt unter den Volksgruppen, und Al Kaida, die bis zur Invasion keinen Fuß auf den Boden des Irak gebracht hatte, mischte kräftig mit. Die US-Truppen starteten Offensiven, ihre großangelegten Angriffe trafen auf Unschuldige, es vertiefte den Hass gegen die Besatzer. Der Krieg als hoffungsloser Fall.
Und doch hat sich seit Sommer 2007 die Lage verbessert. Zumindest gibt es weniger Anschläge, die Zahl der toten Zivilisten ging von 26000 im Jahr 2005 auf rund 23000 im letzten Jahr zurück. Zwar sind vier Millionen Iraker vertrieben, zwar hat nur einer von drei Zugang zu sauberem Trinkwasser, zwar hat die Korruption zu genommen. Aber es gibt weniger Anschläge.
Ex-Feinde stehen auf der Gehaltsliste des Pentagon
Das hängt zusammen mit einer Aufstockung der US-Truppen vergangenen Sommer – vor allem aber mit einer Änderung der Taktik. General David Petraeus, Oberkommandierender der US-Streitmacht, nahm Kontakt auf mit den Sunniten, ausgerechnet der unter Saddam privilegierten Minderheit, die hinter den meisten Anschlägen auf US-Soldaten steckten. Er bot ihnen Jobs an, er legalisierte die Macht der Clanchefs, indem er sie zu Polizeichefs machte. Fast 80000 dieser Ex-Feinde stehen mittlerweile auf der Gehaltsliste des Pentagon – sie kriegen 300 Dollar im Monat.
„Es brauchte ein wenig intelektuelle Massage“, sagt Petraeus, vor allem bei den US-Soldaten, die mit den Mördern ihrer Kameraden zusammenarbeiten sollten. Aber das System funktioniert – noch. Petraeus geht im Januar, die zusätzlichen Soldaten sollen schon dieses Frühjahr wieder abgezogen werden, und die Unterstützung für den Krieg in den USA ist hart bei null.
"Zerbrechlicher Optimismus“
Erstmals gibt es 2008 eine kleine Mehrheit von Optimisten unter befragten Irakern. In der Umfrage, die von der ARD mitfinanziert wurde, spiegelt sich ein Hoffnungsschimmer, die Autoren sprechen von „zerbrechlichem Optimismus“, weil 55 Prozent von 2200 Befragten ihre Lebensumstände „überwiegend positiv“ sehen. Gebessert hat sich auch der Ruf der US-Truppen ein bisschen. Auf die Frage, ob sie Anschläge auf US-Soldaten gutheißen, antworteten 42 Prozent der Sunniten mit ja. Bei den Schiiten sind es 66 Prozent.
Matthias Maus
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