Die Landtagswahlen sind ein Weckruf für Berlin

Die CDU muss bei den Testwahlen dramatische Verluste einstecken – vier Wochen vor der Bundestagswahl ist das keine gute Botschaft für Schwarz-Gelb. Die SPD schöpft unterdessen Hoffnung, obwohl ihr eigenes Ergebnis auch nicht berauschend ist
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Freude sieht anders aus: CDU-General Ronald Pofalla am Wahlabend.
dpa Freude sieht anders aus: CDU-General Ronald Pofalla am Wahlabend.

Die CDU muss bei den Testwahlen dramatische Verluste einstecken – vier Wochen vor der Bundestagswahl ist das keine gute Botschaft für Schwarz-Gelb. Die SPD schöpft unterdessen Hoffnung, obwohl ihr eigenes Ergebnis auch nicht berauschend ist

BERLIN Diese Landtagswahlen waren echte Vorwahlen – mit Konsequenzen für den Bundestagswahlkampf. Denn bei den Landtagswahlen gestern gab es gleich einige Botschaften für Berlin: Herbe Rückschläge für die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel, einen leichten Hoffnungsschimmer für SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier – allerdings nur im Verbund mit der Linken. Und die FDP fürchtet, dass Schwarz-Gelb ein weiteres Mal an der Schwäche der Schwarzen scheitert. Ab heute wird in den Präsidiumssitzungen an den neuen Strategien für den Wahlkampf gefeilscht – und gestritten.

Vor allem bei der Union liegen die Nerven blank. Am besten lief es für sie noch in Sachsen: Dort konnte die CDU ihr Ergebnis halten, künftig reicht es sogar für das Wunsch-Bündnis mit der FDP statt wie bisher eine große Koalition. In den anderen beiden Ländern, Thüringen und Saarland, ist es in Ost wie West exakt das gleiche Bild: zweistellige Verluste für die CDU, schwarze Alleinregierung gestürzt. Und, was so nicht erwartet worden war, nicht mal genug Stimmen für Schwarz-Gelb – trotz der Zugewinne der FDP. In beiden Ländern reicht es sogar für ein rot-rot-grünes Bündnis. Das heißt, die CDU muss darum kämpfen, überhaupt an der Macht zu bleiben – wenn, dann geht das nur über große Koalitionen.

Das Schreckgespenst einer Rot-Rot-Debatte fürchtet die SPD nicht mehr

Und die SPD hat kein allzu großes Interesse daran: Denn sie hat nun auch andere Optionen offen. So gelöst hat man den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier schon länger nicht mehr gesehen wie am Wahlabend in Berlin: „Eins ist sicher: Schwarz-Gelb ist nicht gewollt in diesem Land“, sagt er und strahlt ununterbrochen. Die SPD-Ergebnisse sind zwar nicht berauschend und das erhoffte eigene Aufbruchssignal blieb aus, doch angesichts der Unions-Verluste wittern die Sozialdemokraten erstmals Morgenluft: „Ich bin sicher, dass Frau Merkel heute sehr nachdenklich ist“, freute sich Parteichef Franz Müntefering. „So geht es Leuten, die keinen Wahlkampf machen, weil sie glauben, dass der Amtsbonus reicht.“

Das Schreckgespenst einer Rot-Rot-Debatte fürchtet die SPD nicht mehr; höchstens die Frage, ob man in Thüringen das Bündnis auch als Juniorpartner macht.

Bei der Union gab man sich gestern recht schmallippig. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon zuvor vorsorglich deutlich gemacht, die Wahlen hätten keinerlei Signalwirkung für den Bund. Gestern trat sie in Berlin nicht auf, stattdessen CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Er sprach von schmerzlichen Verlusten. Eine Rote-Socken-Kampagne werde nun nicht geplant, sagt Pofalla. Man werde am bisherigen Stil festhalten. Das ist allerdings fraglich: Merkels bisher sehr ruhig und präsidial gehaltener Stil wird nach den herben Verlusten nun auch intern auf dem Prüfstand stehen.

Die CSU fordert jetzt einen Lagerwahlkampf

Vor allem die CSU macht Druck. General Alexander Dobrindt: „Die Ergebnisse waren nicht so gut. Wir müssen das ernst nehmen.“ Auch andere CSUler versuchten, gleich gestern Abend die neue Strategie-Richtung vorzugeben: volle Kanne Lagerwahlkampf. „Jetzt lässt die SPD alle Hemmungen fallen. Sie will ein Linksbündnis in Deutschland“, so der CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid.

Allerdings könnte der Schreckschuss für die Union auch anders wirken – als Mobilisierung für das eigene Lager, das plötzlich merkt, dass der Sieg doch nicht so sicher ist. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU): „Das Rennen ist noch völlig offen.“

Das befürchtet auch die FDP. Bei aller Freude über die eigenen Erfolge war in der Parteispitze gestern vor allem eins zu hören: „Das ist ein Weckruf für die Union.“ Vizeparteichef Andreas Pinkwart: „Vielleicht sollte die Union auch mal ihre eigenen Wähler stabilisieren, statt sich nur mit dem Wunschpartner zu streiten.“ Parteichef Guido Westerwelle: „Bei der Bundestagswahl steht es spitz auf knopf.“ Schon 2005 hatte sich Schwarz-Gelb fast im Ziel gesehen und war dann an dem mageren Unions-Ergebnis gescheitert. Ungeteilter Jubel herrschte nur bei den Linken: Plötzlich spielen sie auf einer ganz anderen Bühne mit.

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