Die irre Geschichte des Neonazi-Mordhelfers
Carsten S. besorgte dem Trio die Tatwaffe. Dann engagierte er sich in der Aids-Hilfe und wurde von der Regierung lobend erwähnt
DÜSSELDORF - Er lebte mit einem Mann zusammen, in einem Viertel mit vielen Ausländern. Er war in der Aids-Hilfe engagiert, hatte Sozialpädagogik studiert. Doch das Bilderbuchleben eines weltoffenen, sozial engagierten Schwulen stimmt nicht ganz. Carsten S. war der Mann, der dem rechtsradikalen Mord-Trio die Tatwaffe besorgt hat. Mit ihr sind sechs Menschen erschossen worden.
Anfang Februar wurde der 31-Jährige in Düsseldorf festgenommen. Verdacht auf Beihilfe zum Mord in zehn Fällen, so die Anklage. Seine Mitarbeiter in der Aids-Hilfe Düsseldorf und im Jugendzentrum waren total überrascht: „Das ist ein toller Mensch. Ein Super-Mitarbeiter“, sagen die Kollegen.
Die Ermittler in der rechtsradikalen Mordserie haben andere Erkenntnisse. Am 1. Februar stürmte ein Kommando der GSG-9 die Wohnung in Düsseldorf-Oberbilk. Der Mann, den sie dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof vorführten, war 1999 in der NPD-Jugend und im „Thüringer Heimatschutz“ aktiv. Er stand in engem Kontakt mit dem früheren NPD-Vize Ralf Wohlleben, der ebenfalls wegen Beihilfe zum Mord einsitzt.
In der Haft legte Carsten S. ein Geständnis ab. Der gelernte Kfz-Lackierer war es, der Uwe Mundlos (†37) und Uwe Böhnhardt (†34) 1999 die berüchtigte Ceska 83, Kaliber 7.65 besorgt hat, mit der das Trio sechs ihrer neun Morde an Ausländern verübt hat. 26 Mal wurde aus ihr geschossen. Das Geld für die Waffe, 2500 Euro, soll NPD-Kamerad Wohlleben bereitgestellt haben. Einen Schalldämpfer und 50 Schuss Munition gab’s dafür obendrein.
Den Erkenntnissen der Fahnder zufolge war S. zeitweise der Einzige, mit dem das untergetauchte Trio Kontakt zur legalen Welt hielt. Auf bestimmte Codes hin telefonierten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit ihm. Zschäpe sitzt ebenfalls in Köln ein und schweigt. Der Anwalt von Carsten S. sagt, sein Mandant habe nicht gewusst, welche Taten mit der Waffe geplant oder begangen wurden. Im Jahr 2000 sei er aus der rechtsradikalen Szene ausgestiegen – wegen seiner Homosexualität.
Er ging in den Westen, studierte in Düsseldorf an der FH. Rechtsradikales Gedankengut sei ihm fremd, sagt sein Anwalt. Die Ermittler glauben ihm nicht. Noch im Juli 2000 wurde zum Vize-Chef der „Jungen Nationaldemokraten“ gewählt. Mindestens bis 2003 habe er noch private Kontakte mit der rechtsradikalen Szene gehabt. Da hatte die Mordbande schon drei Menschen umgebracht.
Unbestritten ist, dass Carsten S. später ein neues Leben begann. „Er hat sich zu seinem Tatbeitrag geäußert“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range: „Und er hat – nach unseren Erkenntnissen glaubhaft – gesagt, dass er sich vor Jahren aus der rechtsextremen Szene gelöst hat.“ Ab 2005 war Carsten S. in der Aids-Hilfe Düsseldorf beschäftigt, im Jugendzentrum PULS war er für schwul-lesbische Jugendliche aktiv.
Sogar auf einer Regierungs-Website für engagierte Bürger in NRW war Carsten S. lobend erwähnt. Spannend dürfte werden, wie der Fall vor Gericht bewertet wird. Für Beihilfe zum Mord gibt es bis zu 15 Jahre Gefängnis. Die Version, er habe nicht ahnen können, was die Terroristen mit der Waffe vorhaben, ist mindestens zweifelhaft. Die Aids-Hilfe Düsseldorf hat das Arbeitsverhältnis mit S. zwischenzeitlich beendet – „im gegenseitigen Einvernehmen“.