Die Horst-und-Guido-Show
BERLIN - Bei der Präsentation des Koalitionsvertrags freuen und kabbeln sich die neuen Duzfreunde Seehofer und Westerwelle um die Wette. CSU und FDP konnten ihre Duftmarken setzen. Nur die Handschrift der CDU-Vorsitzenden Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt erstaunlich blass.
Es ist vollbracht: Als die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP am Samstagvormittag in die Berliner Bundespressekonferenz einmarschieren, verrät schon die Körperhaltung viel über die innere Gemütslage der Protagonisten. In der Mitte, mit knallgelber Krawatte und strahlend wie ein Bräutigam nach der kirchlichen Trauung, Guido Westerwelle. Rechts neben ihm die CDU-Vorsitzende Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Mimik wie immer sehr reduziert. Links neben Westerwelle sitzt CSU-Chef Horst Seehofer, stützt sein Kinn lässig mit der linken Hand ab, legt den Kopf leicht schief – und scheint seine Ironie wiedergefunden zu haben: „Wie immer in unserer Geschichte werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten diese Regierung stärkstens unterstützen“, raunt er im typischen, Doppeldeutigkeit markierenden Seehofer-Sound – und schickt ein meckerndes Lachen hinterher.
Der Beginn einer großen Freundschaft
Merkel, reagiert sofort: „Da ist nun die Freude wieder ganz auf meiner Seite“, uckermarkt sie schnippisch dazwischen. Jetzt kann auch Westerwelle nicht mehr an sich halten: Der Mann, dem der Stolz, in ein paar Tagen Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland zu sein, aus allen staatsmännischen Knopflöchern springt, hat eine dramatische Neuigkeit loszuwerden: „Um 2.12 Uhr gestern Nacht waren wir mit der Arbeit fertig, um 2.15 Uhr sagen wir Horst und Guido zueinander!“, kräht er aufgedreht. Als Seehofer daraufhin väterlich frotzelt: „Erst die Arbeit, dann das Spiel“, schickt der Liberale noch einen Juchzer hinterher: „Das ist der Beginn einer großen Freundschaft.“
Das klingt natürlich vergiftet vor dem Hintergrund, dass Seehofer einen knallharten Anti-FDP-Wahlkampf geführt hat und den Liberalen in Bayern schnellstmöglich das Wasser wieder abgraben will. Und ist inhaltlich natürlich genauso wenig ernst zu nehmen wie der Treueschwur, den einst der SPD-Chef Oskar Lafontaine leistete, als er neben Gerhard Schröder saß: „Wir sind wie Zwillinge, zwischen uns paast kein Blatt Papier.“
Auch inhaltlich haben die neuen Duzfeinde allen Grund zum Strahlen: Guido weist gleich mehrfach daraufhin, dass der Koaltionsvertrag eine „starke liberale Handschrift“ trage. Musterschülerhaft nennt der FDP-Chef die Steuerstrukturreform samt Stufentarif, die irgendwann in den nächsten vier Jahren kommen soll. Zählt die Bürgerrechtspolitik auf, die Kapitalbildung bei der Pflegeversicherung und das Ziel eines atomwaffenfreies Deutschland. Außerdem werde die neue Regierung „die gröbsten Ungerechtigkeiten der Hartz IV-Gesetzgebung kurzfristig bereinigen“, tönt Westerwelle – ohne zu sagen, das nicht etwa die Regelsätze erhöht werden, sondern das Schonvermögen, dass nur einige wenige Vermögende Hartz-IV-Empfänger betrifft.
Seehofer ist stolz
„Meine Damen und Herren, auch die CSU freut sich“, sagt Seehofer. Er habe seine Wahlverprechen eingehalten, berichtet Seehofer voller Genugtuung. Mehr Netto vom Brutto gebe es, allen voran entlaste man Familien mit Kindern, Unternehmen und Erben. Das Betreuungsgeld für Daheimerziehende, das die Bayern so vehement gefordert haben, zahle der Staat ab 2013 aus. Und das 700-Millionen-Sonderprogramm für die Landwirtschaft „wird auch den Milchbauern mächtig helfen“, ist der CSU-Chef stolz auf seine Duftmarken.
Warum er denn plötzlich auch für die Kopfpauschale sei, wird Seehofer gefragt. Aus Protest gegen ähnliche Privatisierungsvorhaben bei der Gesundheitspolitik habe er sich noch vor Jahren tagelang bei Tütensuppe und Dosenravioli eingesperrt. „Der Rückzug zur Tütensuppe war bei der exzellenten Verpflegung in der Landesvertretung NRW diesmal nicht nötig“, sagt der Bayer. Außerdem: Am Gesundheitssystem ändere sich erstmal gar nichts: „Wir setzen eine Kommission ein, die sich in aller Ruhe mit den Konzepten beschäftigen wird. Schauen wir mal zu welchen Ergebnissen die kommt.“ Westerwelle schnappt bei diesen Worten pikiert nach Luft, Streit scheint bereits vorprogrammiert.
Merkel bleibt mit ihren Antworten im Diffusen
Und wo bleibt Bundeskanzlerin Angela Merkel Handschrift, die der CDU? „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt“ ist der 130 Seiten dicke Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP überschrieben. Das klingt ein wenig anders als der Dreiklang vom „Sanieren, Reformieren und Investieren“, den Merkel als Kanzlerin der großen Koalition so gerne beschworen hat, aber kein bisschen konkreter.
„Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen“, haben die schwarz-gelben Lyriker als ersten Satz der Vertrags-Präambel gedichtet. Und: „Wir wollen unserem Land eine neue Richtung geben. Freiheit zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte.“ Ob das denn heiße, wird Merkel sogleich gefragt, ob die große Koalition eine verzagte Politik gemacht habe? Nein nein, antwortet die Frau im weinroten Blazer beschwichtigend, mit der SPD habe sie natürlich auch mutig regiert, gerade in der Finanzkrise.
„Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger, indem wir keine Abgaben und Steuern erhöhen, sondern diese konstant halten beziehungsweise deutlich senken“, verspricht Bundeskanzlerin Angela Merkel. Um auf Nachfrage einzuräumen, dass man an der noch von Schwarz-Rot beschlossenen Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung natürlich festhalte. Ansonsten bleibt Merkel im Diffusen: Sie spricht nicht von Schulden oder Schattenhaushalten, sondern lieber davon, dass der Staat einen „Schutzschirm für Arbeitnehmer aufspannen“ werde. Sie spricht nicht davon, dass die Bürger künftig mehr für Gesundheit und Pflege berappen müssen, sondern tröstet ihr Volk mit dem Hinweis, dass der Staat schon einen „Solidarausgleich“ für Schwächere zahlen werde. Und Merkel spricht nicht vom schwarz-gelben Ja Atomkraft, sondern davon, dass sie das Land „in ein völlig neues Zeitalter erneuerbaren Energien führen“ wolle.
Auch ihre Personalentscheidungen redet Merkel schön: Was ausgerechnet den blassen Franz Josef Jung dafür qualifziert, Arbeits- und Sozialminister zu werden, wird sie gefragt: „Wieso geben Sie das wirtschaftspolitische Profil der Union preis, indem Herr zu Guttenberg sich am Hindukusch verteidigen darf?“ Die Kanzlerin sagt jetzt natürlich nicht, dass Jung Minister bleiben muss, weil sein mächtiger hessischer Landsmann Roland Koch darauf pocht. Sie sagt lieber: „Im Arbeitsministerium brauchen wir jemanden, der ein Gespür dafür hat, die Partnerschaft in der sozialen Marktwirtschaft mit Leben zu füllen.“ Aha.
Markus Jox