Die Heuchler
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, die Entrüstung seiner Chefin darzulegen: „Abhören unter Freunden – das geht gar nicht.“ Davon abgesehen, dass die Formulierung in ihrer Deutlichkeit und Jugendlichkeit eher untypisch für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist: Natürlich wird abgehört unter Freunden, und natürlich wussten auch deutsche Stellen davon. Und natürlich kann Bundeskanzlerin Angela Merkel – gerade jetzt in Vorwahlzeiten – nicht anders, als jetzt die überraschte Empörte zu geben.
Ganz zynisch-pragmatisch: Selbstverständlich kooperieren die Dienste – schon deswegen, weil der jeweils eigene nicht die heimischen Bürger ausspionieren darf.
Die Sauerland-Gruppe ist mithilfe der US-Schnüffeleien aufgeflogen: Was dachten sich die Deutschen wohl, als sie die Daten dazu aus Amerika geliefert bekamen – dass der NSA rein zufällig das richtige Dutzend unter den 80 Millionen Deutschen ausgespäht hat? Und keinen einzigen anderen? Wie spottete eine österreichische Zeitung so schön, als Prism bekannt wurde: Man verliert ja glatt den Glauben an das Gute in Geheimdiensten!
Mag vielleicht sein, dass die deutsche Regierung (die rot-grüne übrigens genauso wie die aktuelle) über das Ausmaß nicht informiert war, aber sicher über das System an sich. Aber das ist ja der Deal: Die Politiker wollen es lieber nicht so genau wissen, was da läuft. Und die Dienste wollen es lieber nicht so genau sagen. Also wird weitergeheuchelt.