Die gekrönte Gabi - Pauli gründet ihre eigene Partei

In einem Happening der schrägen Vögel im Münchner Hofbräukeller wird die Ex-Landrätin, Ex-CSU-Rebellin und Ex-Freie-Wähler-Politikerin erstmals Vorsitzende einer Partei - ihrer eigenen
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Ist jetzt Chefin ihrer eigenen Partei: Gabriele Pauli.
dpa 3 Ist jetzt Chefin ihrer eigenen Partei: Gabriele Pauli.
Für ihn ist Pauli wie Obama: Wahlhelfer Werner Winkler.
Petra Schramek 3 Für ihn ist Pauli wie Obama: Wahlhelfer Werner Winkler.
"Ich liebe die Frau Pauli", sagt Manfred Metz.
Petra Schramek 3 "Ich liebe die Frau Pauli", sagt Manfred Metz.

In einem Happening der schrägen Vögel im Münchner Hofbräukeller wird die Ex-Landrätin, Ex-CSU-Rebellin und Ex-Freie-Wähler-Politikerin erstmals Vorsitzende einer Partei - ihrer eigenen

MÜNCHEN"Hast Du noch Mitgliedsanträge?" – "Sind die schon wieder weg? Dann muss ich noch schnell welche holen!" Werner Winkler ist elektrisiert. Seit ein paar Tagen ist der 47-Jährige inoffizieller Wahlhelfer für die "Freie Union" – die neue Partei von Polit-Rebellin Gabriele Pauli. "Ich schlaf' seit Dienstag nur noch vier Stunden pro Nacht", erzählt er. Extra aus Stuttgart ist der Autor heute angereist, um bei der Parteigründung dabei zu sein. Kurz nach Paulis Rauswurf bei den Freien Wählern hat der ehemalige SPDler sich als Mitarbeiter angeboten – und wurde sofort genommen.

"Die Frau Doktor Pauli hat noch gestern Nacht am Parteiprogramm geschrieben" erzählt er. Schließlich habe sie erst am Donnerstag damit angefangen. "Ich hab’s dann heut früh um fünf nochmal Korrektur gelesen. Meine Frau hilft auch mit, sie steht da hinten, tackert die Programme zusammen." In einer nächtlichen Sitzung ist auch das neue Partei-Logo entstanden: gelbe Schrift auf blauem Grund, mit angehängter runder Deutschlandfahne.

Der Schlafentzug scheint Werner Winkler nichts auszumachen, er strahlt übers ganze Gesicht: "Ich fühl mich, als wär ich im Wahlteam von Obama", lacht er. "Das ist riesig, diese Euphorie, diese Hoffnung! Jetzt gibt's endlich einen politischen Neuanfang."

Bis ins Treppenhaus stehen die Menschen Schlange

Offenbar teilen viele Menschen seine Überzeugung: Mehr als 400 Menschen drängen sich im Saal im ersten Stock des Münchner Hofbräukellers, sie quetschen sich auf die Fensterbänke, lehnen an den Wänden. Auch draußen stehen sie Schlange bis ins Treppenhaus, um sich in Teilnehmerlisten einzutragen.

Dort hält auch SIE höchstpersönlich Hof: Gabriele Pauli, im schicken smaragdgrünen Kleid mit schwarzem Jacket. Sie schüttelt Hände, tätschelt Schultern. "Herzlich Willkommen, schön, dass sie da sind", säuselt sie. "Wir finden Sie ganz ganz toll, Frau Pauli", sagen die Parteimitglieder in spe. Die Mischung ist bunt: Rentner sind da, Frauen mit Louis-Vuitton-Taschen, junge Typen im Che-Guevara-T-Shirt.

Pauli bekommt Rosen, einen Glückspfennig und ein Gedicht

"Ich bin nur aus Neugierde hier", sagt ein junger Mann im blau-karierten Hemd. Seinen Namen will er nicht sagen – "das muss ja nicht jeder wissen, dass ich hier bin", sagt er und grinst breit. "Ich will mir nur mal anschauen, wie weit der Realitätsverlust inzwischen ist bei der Pauli."

Tatsächlich kann man an diesem Tag nachvollziehen, wie man bei so viel hymnischer Verehrung allmählich die Bodenhaftung verlieren kann. Zweieinhalbtausend Mails will Pauli in den vergangenen vier Tagen bekommen haben. Von einem Fan bekommt sie eine langstielige weiße Rose überreicht, sogleich dreht sie sich zu den Fotografen, hält die Nase tief in die Blüte und klimpert mit den Wimpern.

Ein anderer schenkt Pauli einen Glückspfennig, ein älterer Herr im weißen Sakko liest ihr ein Gedicht vor, und der 68-jährige Manfred Metz macht mit einem aus einem Männermagazin ausgeschnittenen Foto einer leicht bekleideten Peitschenlady die Aufwartung. "Ich liebe die Frau Pauli", sagt der eigens aus Niederbayern angereiste Fan. "Es muss endlich mal wieder menscheln in der Politik. Ich habe ihr auch schon mal 60 rote Rosen in einem Geigenkasten geschickt." Auf das collagenartig übermalte Foto hat er mit Silberstift geschrieben: "Frau Pauli hält uns mit ihrer Peitsche auf Trab."

Bei ihrem anschließenden Gründungs-Vortrag selbst setzt die Ex-Landrätin aber lieber auf salbungsvolle Sätze: "Erfolg ist, wenn man sich selber folgt", sagt sie. "Wir alle haben in uns die gleiche Kraft und die gleiche Macht und Stärke. Nur manche von uns haben diese Stärke in ein Kästchen verschlossen und fühlen sich ohnmächtig. Wir müssen nun den Schalter in uns umlegen und die Geschicke der BRD wieder in unsere Hand nehmen."

Parteigründung im Schnelldurchlauf

Klingt ein bisschen nach "Wort zum Sonntag", Pauli hat aber auch konkrete Forderungen: Bildung soll Bundessache werden: "Dann können wir viele Kultusminister abschaffen", ruft sie. Außerdem sollen Landtagsabgeordnete ihr Mandat in Zukunft nur noch Teilzeit ausüben – "dann könnten sie sich wieder mehr unter’s Volk mischen." Auch der Kanzler soll direkt gewählt werden, jeder soll nur noch so viele Steuern zahlen wie er will und die Ehe soll an keinerlei steuerlichen Vergünstigungen mehr geknüpft sein.

Die Parteigründung selbst läuft dann im Schnelldurchlauf: Während draußen die Leute noch ihre Mitgliedsanträge ausfüllen, setzen im Hinterzimmer sieben Menschen ihre Unterschrift unter die Parteisatzung, die zu diesem Zeitpunkt noch keines der Mitglieder kennt. Ein Rechtsanwalt verkündet feierlich: "Die Partei der Freien Union ist hiermit gegründet." Bravo-Rufe bei einigen, Unmut bei den anderen. "Das geht doch nicht, wir müssen über die Satzung doch noch abstimmen", ruft einer von hinten rein. Ein zweiter Mann brüllt: "Ich werd' nirgendwo Mitglied, wenn ich die Satzung nicht kenne!"

Parteimitglieder sind die mit dem Aufkleber auf der Brust

Inzwischen reden alle durcheinander, vor dem Podium herrscht dichtes Gedränge, das pure Chaos. Pauli aber will sich mit so bürokratischen Dingen wie der Satzung nicht aufhalten: Sie stellt sich sofort zur Wahl als Vorsitzende. Neue Parteimitglieder bekommen einen Aufkleber auf die Brust geklebt – so soll verhindert werden, dass auch Nicht-Mitglieder abstimmen.

Um 15.30 Uhr kommt das Ergebnis: Von 185 abgegebenen Stimmen entfallen 181 auf Gabriele Pauli. Die Fränkin lässt sich bejubeln und beklatschen. Dann stellen sich über 50 Kandidaten für insgesamt zehn Vorstandsposten zur Wahl – mit teilweise skurrilen Bewerbungsreden ("Ich will, dass Deutschland 2013 noch nicht zerstört ist!", "Ich bin Rentner, ich hab jetzt Zeit.")

"Das ist alles so ein Durcheinander!"

Doch dann heißt es auf einmal Kommando zurück: Paulis Wahl ist ungültig! Zuerst muss die Satzung beschlossen sein! Beim zweiten Wahlgang werden dann nur noch 155 Stimmen abgegeben, auf Pauli entfallen nur noch 144.

"Das ist alles so ein Durcheinander, jeder sagt was anderes", grummelt einer im Publikum. Daran muss sich Pauli wohl gewöhnen. Schließlich hat sie selbst die Parole ausgegeben: "Bei uns haben auch Querdenker ihren Platz!"

Annette Zoch

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