"Die EU darf sich nicht einwickeln lassen"

Der China-Gipfel startet. Der Grünen-Vorsitzende im EU-Parlament Reinhard Bütikofer über die USA-Spannungen – und Möglichkeiten für europäischen Handel.
von  Detlef Drewes
Ein Containerschiff läuft in den Hamburger Hafen ein – ein wichtiger Handelspunkt in Deutschland und Europa.
Ein Containerschiff läuft in den Hamburger Hafen ein – ein wichtiger Handelspunkt in Deutschland und Europa. © Daniel Reinhardt/dpa

Zwischen den USA und China eskaliert der Handelsstreit immer weiter. In dieser Situation kommt die Führung aus Peking am Montag und Dienstag zum Gipfeltreffen mit der EU nach Brüssel. Die AZ spricht darüber mit dem Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer.

AZ: Herr Bütikofer, im Vorfeld des EU-China-Gipfels sind aus Peking viele wohlklingende Versprechungen zu Marktwirtschaft und Zusammenarbeit zu hören. Darf man das glauben?
REINHARD BÜTIKOFER:
Aus der Antike ist ein Sprichwort überliefert: 'Ich fürchte die Griechen, gerade wenn sie Geschenke bringen.' Mit anderen Worten: Europa sollte sich schon sehr genau ansehen, was angeboten wird und welche Mogelpackungen dabei sind.

Unzweifelhaft scheint aber doch, dass China im Rückzug der USA aus dem freien Welthandel eine Chance sieht und neue Partner sucht?
Vor der Amtszeit von Donald Trump überwog die Einstellung, man solle die Arme weit öffnen und Peking einladen, Teil des multilateralen globalen Gefüges zu werden. Heute wird der asiatische Riese in den USA als Opponent gesehen. Und in China ist man der festen Überzeugung, dass das 21. Jahrhundert von einem Wettlauf mit den USA bestimmt wird.

Da kommen die Probleme, die Europa mit den Vereinigten Staaten haben, gerade recht?
Darin sieht Peking eine Chance. Weil die Europäer den amerikanischen Protektionismus geißeln. Dabei tut Peking so, als habe es selbst von Marktabschottung noch nie was gehört – was natürlich Unsinn ist.

Wer braucht wen mehr – Europa China? Oder umgekehrt?
Unser Interesse kann doch nur darin bestehen, an der internationalen Herrschaft des Rechts festzuhalten. Und da ist Peking sicherlich nicht die erste Adresse. Deshalb wäre Europa gut beraten, sich mit anderen demokratischen Staaten zu verbünden. Ich denke an Japan, Kanada, Australien oder Mexiko und viele andere.

Und die USA?
Wir haben mit den Vereinigten Staaten trotz aller Streitigkeiten immer noch mehr Gemeinsamkeiten. Die EU darf doch nicht wegsehen, wenn Peking seine Ansprüche im südchinesischen Meer mit geballter Militärmacht durchsetzt.

Die neue Seidenstraße, also ein intensiver Handelsweg zwischen Fernost und Europa, klingt durchaus verlockend...
Es liegen Studien vor, die belegen, dass 85 Prozent der Projekte im Rahmen der Seidenstraße an chinesische Unternehmen gegangen sind. Die EU darf sich da nicht einwickeln lassen. Investitionsbedarf in Infrastruktur besteht, da hat China recht. Aber wir wollen eine Kooperation, die multilaterale Regeln anerkennt. Denn das Konzept, das Peking verfolgt, liegt darin, eine Art chinesische Globalisierung zu realisieren.

Was heißt das im wirtschaftlichen Bereich?
Manche Seidenstraßen-Projekte führen heute schon zur Abhängigkeit bestimmter Länder von China. Zum Teil versucht China auch, einseitig seine eigenen Standards durchzusetzen, zulasten aller anderen. Peking versucht zudem, für Seidenstraßen-Streitigkeiten einseitig chinesische Gerichte zu installieren. Am Ende wäre die Welthandelsorganisation WTO entmachtet.

Die EU gefällt sich bei Umwelt- und Klimaschutz-Standards in der Rolle des Weltführers. Gibt es da Gemeinsamkeiten?
Peking nimmt Umweltfragen seit einigen Jahren sehr ernst. Der Klimawandel würde, das wurde verstanden, China ganz besonders hart treffen. Bei der Elektromobilität, bei den Investitionen in erneuerbare Energieträger hat Peking von Europa gelernt und setzt das heute sehr konsequent um. Da gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Dennoch bleibt die Frage nach der Beachtung der Menschenrechte.
Zu denen, die diese Frage immer wieder ansprechen, und nicht nachlassen, Verbesserungen zu fordern, gehört die deutsche Bundeskanzlerin. Das war und bleibt wichtig. Nicht zuletzt, weil die chinesische Führung die Dissidentenszene weitgehend isoliert hat.

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