Die Dunkel-Roten machen auf Weiß-Blau

„Weiß-blaue Seele, grünes Gewissen." Auf ihrem Nürnberger Parteitag geben sich die Post-Kommunisten als überzeugte Bajuwaren. Doch kann man so eine Partei wirklich ernst nehmen?
von  Abendzeitung
Gregor Gysi, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion ist als Wahlkampf-Einpeitscher nach Nürnberg gekommen.
Gregor Gysi, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion ist als Wahlkampf-Einpeitscher nach Nürnberg gekommen. © dpa

„Weiß-blaue Seele, grünes Gewissen." Auf ihrem Nürnberger Parteitag geben sich die Post-Kommunisten als überzeugte Bajuwaren. Doch kann man so eine Partei wirklich ernst nehmen?

Wo müssen wir denn raus?" Die graumelierte Herrenkombo in Trekking-Sandalen starrt angestrengt auf den U-Bahn-Plan. „In Langwasser Mitte?" „Ne, Mitte, da wollen wir nicht hin." Schallendes Gelächter. „Huhu, Verfassungsschutz!" ruft einer mit Che-Guevara-T-Shirt und winkt in die Überwachungskamera über ihm. Diese Witzbolde sind kein Junggesellenabschied, sondern Mitglieder der bayerischen Linken – und an diesem Samstag auf dem Weg zum Landesparteitag in Nürnberg.

Für ihre gute Laune haben die Linken allen Grund: Nach einer aktuellen Emnid-Umfrage könnte die gerade mal ein Jahr alte Partei bei der Landtagswahl tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Dieses Szenario treibt immer mehr Landtagspolitiker um. Die CSU warnt vor der Linken wie vor dem Leibhaftigen selbst, und SPD-Spitzenkandidat Franz Maget fühlte sich sogar schon bemüßigt, für den Fall seiner Wahl die Unterstützung der Linken vorsichtshalber gleich abzulehnen. „Na, das mit der Wahl zum Ministerpräsidenten kann Herr Maget ja nur scherzhaft gemeint haben", ätzt Gregor Gysi. „Wenigstens beweist er auch nach Jahrzehnten in der Opposition noch Humor."

Irgendeinen Nerv treffen sie

Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion ist als Wahlkampf-Einpeitscher gekommen. Drinnen im „Hotel Arvena", einem 70er-Jahre-Plattenbau mit Goldfischbecken und Springbrunnen im Foyer, wartet eine überschaubare Menge aus knapp über 200 Delegierten. „Der Gregor Gysi sagt uns jetzt, äh, wie's in Bayern weitergehen soll", versucht sich Landessprecherin Eva Bulling-Schröter an einer Begrüßung. Hinten filmt ein Genosse die Veranstaltung mit dem Camcorder. All die Unbeholfenheit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Linke doch irgendeinen Nerv zu treffen scheint: Immerhin hat sich die Zahl der Parteimitglieder in Bayern in nur einem Jahr auf 2800 verdoppelt.

„Es gibt erstmals ein relevantes Bedürfnis nach einem linken, sozialen Korrektiv", ruft Gregor Gysi vom Rednerpult. „Alle schreiben von uns ab! Erst die bayerische SPD, und jetzt sogar die CSU." Die Abschaffung der Pendlerpauschale sei immer schon von der Linkspartei gegeißelt worden, so Gysi. Ganz anders hingegen die CSU: „Im Bund hat sie für die Abschaffung gestimmt, in Bayern ist sie jetzt plötzlich wieder dagegen. Die CSU geht in Opposition zu sich selbst. Die denken, die können uns die soziale Kompetenz klauen." Gysi wird deftig: „Aber der Wähler lässt sich langsam nicht mehr verarschen." Riesen-Jubel.

Aber tickt der bayerische Wähler wirklich so? Immerhin verfügt die CSU nicht nur über die politische, sondern auch die kulturelle Vormachtstellung in Bayern. Wie keine andere Partei in Deutschland schafft sie es, sich selbst mit dem Land gleichzusetzen, in dem sie regiert. „Aber auch in Bayern gibt es immer mehr Menschen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können", sagt der oberbayerische Spitzenkandidat Fritz Schmalzbauer. Und dann erzählt er schon zum zweiten oder dritten Mal an diesem Tag, wie er jüngst eine Veranstaltung bayerischer Milchbauern besuchte. „Als ich mich offenbart hab' als Landtagskandidat für die Linke, da haben die mir zugerufen: ,Des schad' nix! Hauptsach' du tust was für uns!'"

Bajuwarisches

Wie die bayerischen Grünen mit ihrem Slogan „Weiß-blaue Seele, grünes Gewissen", so setzt auch die Linke hierzulande auf Bajuwarisches: Auf Postkarten wirbt die Partei mit den weiß-blauen Rauten, eine davon ist rot eingefärbt. Das offizielle Wahlplakat zeigt die Zugspitze mit der roten Links-Fahne neben dem Gipfelkreuz. „Die Fünf-Prozent-Hürde verläuft übrigens darunter", witzelt die mittelfränkische Landtagskandidatin Anny Heike. Und Atheist Gregor Gysi verspricht sogar, sich katholisch fortzubilden. Er will im August ein Stück auf dem Jakobsweg pilgern. „Die Linke in Bayern will sich nicht als Gegensatz zu Bayern definieren, sondern als Teil dieses Landes", sagt der gebürtige Berliner.

Natürlich sei es in Bayern für die Linkspartei am schwierigsten, in den Landtag einzuziehen, sagt Gysi. Aber: „Wenn wir in einen westdeutschen Landtag einziehen, verändern wir Deutschland. Wenn wir in den bayerischen Landtag einziehen, verändern wir die Welt. Darunter machen wir's eh nicht."

Annette Zoch

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