Die Doppel-Beichte
Die ersten fünf Monate waren für Ministerpräsident Beckstein und CSU-Chef Huber nicht gerade einfach. Der tägliche Ärger, der Spott der Kritiker und der Schatten Stoibers haben sie auch äußerlich gezeichnet. Das CSU-Tandem im AZ-Doppelinterview über Stress, Kritik an der Frisur – und warum ein Termin beim US-Präsidenten nicht so wichtig ist.
AZ: Sie sind jetzt beide seit fünf Monaten im Amt. Um wie viele Jahre sind Sie denn in dieser Zeit gealtert?
ERWIN HUBER (lacht): Für mich ist das ein Jungbrunnen. Ich bin ja auch schon eine Woche länger im Amt als Günther Beckstein.
GÜNTHER BECKSTEIN: Ich bin noch nicht so weit, dass ich das als Jungbrunnen empfinde. Das ist schon eine Herausforderung, aber eine tolle Herausforderung.
AZ: Aber man sieht Ihnen an, dass Sie etwas gealtert sind.
BECKSTEIN: Das hängt davon ab, wie die Nacht davor war.
Neuerdings sieht man auch mehr graue Haare bei Ihnen beiden.
HUBER: Ich war gerade beim Friseur, da sieht man dann ein paar weniger. Spaß beiseite: Die Führung einer Partei ist schon eine neue Dimension. Man spürt die Erwartungen. BECKSTEIN: Der Wind ist am Gipfelkreuz deutlich stärker als im Tal.
Was sagen Ihre Frauen zu diesen stürmischen Zeiten?
BECKSTEIN: Meine Frau sieht alles mit großer Gelassenheit, fordert mich auf, nicht hektisch oder nervös zu sein. Und sie sagt mir, ich solle meine Zunge etwas mehr im Zaum halten, weil es viele Leute gibt, die weder Humor haben noch Ironie verstehen. Sie sagt dann: Dann redst halt a weng weniger.
HUBER: Meine Frau Helma versucht mir eine Umgebung der Ruhe und der Harmonie zuhause zu schaffen und so einen Beitrag zu meinem inneren Gleichgewicht zu leisten.
Sagen Ihre Frauen nicht auch einmal: Mensch, warum hast du dir das angetan?
BECKSTEIN: Überhaupt nicht. Als ich neulich, ich gestehe es, zuhause mal etwas gejammert habe, hat Marga gesagt: Das wusstest du doch! Dann habe ich gesagt: Ja schon, aber hier werde ich doch mal jammern dürfen. Darauf sie: gut, ein kleines bisschen, aber nicht arg.
Sie beide sehen sich in Ihren neuen Ämtern viel härterem Spott ausgesetzt und vielen unangenehmen Schlagzeilen. Ärgert Sie das?
BECKSTEIN: Bei mir ist es eine Mischung. Ich gebe sofort zu, dass ich eine schöne Schlagzeile lieber lese als eine böse. Das war es auch, was ich letzte Woche mit meinen Äußerungen über den Nockherberg meinte: Wer über den Spott lacht, den andere ertragen müssen, der muss auch die Zähne zusammenbeißen können, wenn es um ihn selbst geht. Worüber ärgern Sie sich so richtig?
BECKSTEIN: Also, diese drei Bilder neulich in der Abendzeitung – meine Leute haben mir gleich einen Zettel geschrieben, ich solle ein bisschen auf meine Mimik aufpassen.
HUBER: Ich will Mensch bleiben und nicht einfach ein dickhäutiger Machtpolitiker sein. Also nehme ich mir manches schon sehr zu Herzen. Wenn unberechtigte Kritik aus den eigenen Reihen kommt, dann tut es weh.
Was hat Ihnen denn bisher am meisten wehgetan?
HUBER: Angriffe, die persönlich sind. Wenn einer aus den eigenen Reihen sagt, meine Frisur sei nicht in Ordnung.
Ihr Landtagskollege Sauter ...
HUBER: Da frage ich mich dann, was das soll.
BECKSTEIN: Mir tun die Dinge am meisten weh, die stimmen. Deswegen sag ich’s Ihnen nicht.
Wer von Ihnen hat denn die besseren Nerven?
HUBER: Wir sind beide ganz gut ausgestattet. Wobei ich sagen muss: Ich rede manchmal vielleicht etwas zu schnell.
Arbeiten Sie da an sich?
HUBER: Ja. Ich bin ja jung genug, um dazuzulernen.
Woran zum Beispiel?
HUBER: Mir wird öfters gesagt, ich soll beim Reden mit dem Körper nicht zu stark dabei sein. Manche sagen auch, es gebe zwar gute Fotos von mir ...
BECKSTEIN: Viel schönere als von mir ...
HUBER: ... aber dass ich manchmal im Fernsehen so grimmig schaue. Es kommt immer auch darauf an, wer mir etwas sagt. Wenn mich zum Beispiel meine Kinder auf etwas ansprechen, dann weiß ich: Das Motiv ist wohlwollend.
BECKSTEIN: So wie es bei der Abendzeitung auch immer der Fall ist.
Ihnen wird zum Beispiel auch bescheinigt, Sie seien zu provinziell, und Ihr Niederbayerisch, Herr Huber, verstehe man gar nicht richtig.
HUBER (lacht): Ich kann auch englisch reden. Aber da verstehen mich noch weniger.
BECKSTEIN: Ich halte solche Kritik für falsch. Natürlich sind wir in erster Linie Landespolitiker, aber wir sind auch im Bund und im Ausland präsent. Bei meinen ersten Auslandskontakten habe ich gezielt Schwerpunkte auf die Nachbarländer Bayerns gesetzt. Die Bundeskanzlerin hat mich mal gefragt, ob ich Interesse an einem Termin beim amerikanischen Präsidenten hätte. Ich habe gesagt: Für mich sind die Beziehungen zu Tschechien oder Österreich zunächst einmal wichtiger.
Woran liegt es, dass nach Stoiber in der CSU alle froh waren, dass nun eine neue Zeit anbricht – und jetzt doch wieder alle nach mehr Führung rufen?
BECKSTEIN: Da gilt der alte Spruch: Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Peter Gauweiler hat mal gesagt: Die CSU ist eine Partei, die die Anarchie liebt, aber einen starken Anarchen will.
HUBER: Wir verstehen uns als Mannschaftsführer. Bei Gegenwind sind Ruhe und Gelassenheit wichtig.
Bisher hat man eher den Eindruck von Aufregung und Hektik.
HUBER: Die Kommunalwahlen klingen natürlich noch nach. Wichtig ist jetzt die Sacharbeit.
Herr Beckstein, wie viel Angst muss denn Herr Huber vor Horst Seehofer haben?
BECKSTEIN: Was da von Putsch und so zu lesen war, das gehört für mich in die Kategorie 1. April. Das hat doch Kreuth bewiesen. Ich habe mit Seehofer laufend Kontakt und arbeite mit ihm gut zusammen. Seehofer hat uns tausendprozentige Solidarität zugesichert. Mir reicht hundertprozentige.
Würden Sie schlimmstenfalls Ihren Tandempartner Huber austauschen?
HUBER: Du kannst gerne versuchen auszuweichen.
BECKSTEIN: Das Tandem Huber-Beckstein arbeitet gut zusammen und ist nicht auf Auswechslungen eingestellt.
HUBER: Wir lassen uns nicht von Gerüchten beeindrucken.
Herr Huber, was kann denn Ihr Tandempartner von Ihnen lernen?
HUBER: Ich will mich da nicht zum Oberlehrer aufschwingen.
BECKSTEIN: Nur zu. Vielleicht Niederbayerisch?
HUBER: Das wirst du nie lernen. Ich glaube, dass Günther Beckstein gelegentlich etwas mehr Gelassenheit gut täte.
Und andersherum gefragt, Herr Beckstein?
BECKSTEIN: Was er nicht von mir lernen darf, ist die fränkische Sparsamkeit, weil er eh zu geizig ist. Sonst hab’ ich keine Wünsche.
Kreuth haben Sie überstanden, aber Sie gehen angeschlagen in die Landtagswahl. Müssen wir Mitleid mit Ihnen haben?
HUBER: Ich glaube nicht, dass Politiker auf Mitleid setzen sollten. Wir haben alle Chancen bei der Landtagswahl.
BECKSTEIN: Aus Mitleid wird niemand gewählt.
Einmal angenommen, bei der Landtagswahl gibt es ein Ergebnis von 50 minus x. Was würde das bedeuten für Sie?
BECKSTEIN: 50 plus x ist nach wie vor das realistische Ziel.
HUBER: Ich bin davon überzeugt, dass wir einen klaren Regierungsauftrag bekommen. Die Bayern wollen politische Stabilität und keine hessischen Verhältnisse.
Interview: A. Böhm, A. Makowsky, F. Müller