"Die Dinger haben nichts im Wald verloren": Scharfe Kritik an Aiwangers Windrad-Werben

Mehring/Marktl - Solche Termine sind eigentlich eine "gmah'de Wiesn" für Hubert Aiwanger. Bürgernähe, das ist etwas, in dem er aufgeht. Aber heute hat der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) keine Wiese vor sich, sondern den Wald.
In eben jenem Forst im Landkreis Altötting, in dem eigentlich ein Windpark mit 40 Windrädern auf dem Gebiet der Bayerischen Staatsforsten geplant ist. Nur dass die Bürger sich kürzlich in einem Bürgerentscheid gegen das Projekt ausgesprochen haben, das vor allem für die energieintensive Industrie im Landkreis einen Teil des Stroms liefern soll.
Fast ein Tag vor Ort: Hubert Aiwanger besucht Forst im Landkreis Altötting
Aiwanger musste sich schon in der BR-Sendung "Jetzt red i" den Fragen stellen. Es ist ein echtes Dilemma für den Mann, der einerseits die Wirtschaft Bayerns zukunftsfähig machen soll und sich andererseits gern als "einer von uns" präsentiert. Ein Versprechen aus der BR-Sendung war, sich persönlich die Lage vor Ort anzuschauen. Fast einen ganzen Tag nimmt er sich Zeit.
Aiwanger hat Sorge, dass man Wacker Chemie damit vergraulen könnte. "Es ist ja schon so, dass der Grünstrom vor Ort nötig wäre", sagt Aiwanger der AZ. Es sei noch viel Substanz da, aber: "Folge- und Neuinvestitionen hängen schon davon ab, wie investorenfreundlich hier die Energiepolitik läuft." Es drohe, dass Neuinvestitionen in den USA oder sonstwo getätigt werden. "Das ist einfach die Lage." Nicht alle, die an diesem Tag in die Herderstraße gekommen sind, sind Windkraftgegner. "Der Strom muss ja irgendwo herkommen", sagt Maria Grünleitner. Auch wenn es mal nicht so schön aussehe.
Geplanter Windpark in Bayern: Ist Wasserkraft die Lösung?
Im Wald müsse eh so viel umgeschnitten werden wegen des Schneebruchs im vergangenen Dezember. "Der Aiwanger hätte früher kommen müssen", findet ihr Mann Ludwig. Der Investor, die Firma Qair, hätte viel informiert. Nur eben erreicht man damit manche nicht mehr. Beim Ortstermin am Standort eines möglichen Windrads wird Aiwanger mit solchen Thesen konfrontiert. Eine Frau will wissen, warum man nicht mehr in die Wasserkraft investiere. Aiwanger erklärt durchaus geduldig, dass hierzu eben schon die meisten Potenziale erschöpft seien und es auch ökologische Einschränkungen gebe.
Hat er sie überzeugt? "Nein, es gibt Wasserkraftwerke, die jetzt schon existieren und gegen die der Bund Naturschutz auch war", sagt die Frau der AZ. Hier sei es gelungen, sie so gut zu renaturieren, dass inzwischen Biotope entstanden seien. Das stimmt nur bedingt. Zumal nicht wenige Kilometer von Mehring entfernt an der Salzach ein bitterer Kampf um ein Wasserkraftwerk geführt wird.
Hubert Aiwanger referiert über Windräder im Wald: Viele Zweifler in Marktl
Immer wieder zweifeln Menschen überhaupt den Sinn von Windkraft im Landkreis Altötting an – obwohl es dazu Daten gibt und obwohl ein Investor wohl nicht aus Spaß bereit ist, zu bauen. Auch am Nachmittag, als Aiwanger sich den Bürgern von Marktl stellt, wo ebenfalls ein Windkraftstandort entstehen soll. Über 100 Menschen sind in den Gemeindesaal gekommen, und das an einem Werktag. Aiwanger versucht es so: Wenn ein Windrad auf dem freien Feld stehe und man nah dran sei, empfinde man es als bedrängend – "dann sog i, oh is des a Trumm Oschi". Anders sei es, wenn das Windrad im Wald stehe. Dann wirke es nicht so bedrohlich, weil Bäume in der Sichtachse seien.
Der Mann, dem die Bauern vertrauen, der die Menschen in Bierzelten in selige Euphorie versetzt – am Montag ist von diesem Hubert Aiwanger nichts zu sehen. Seine Gags zünden nicht, viele Fragen reicht er an Qair weiter. Kraftlos wirkt der Freie-Wähler-Chef schon seit längerem. Ob es die Querschüsse von der CSU sind, sein Misstrauen in die Medien oder das tatsächliche Dilemma solcher Auftritte wie im Landkreis Altötting. Den Applaus bekommen heute andere. "Die Scheiß-Dinger haben nichts im Wald verloren", sagt einer, und der Saal tobt.