Die Chancen der Älteren

Immer mehr Menschen über 50 sind in Lohn und Brot – der Trend, sie aus dem Arbeitsmarkt rauszudrängen, lässt nach. Aber: Wer einmal draußen ist, kommt kaum wieder rein
von  tan
Hierher – und wieder weg? Die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Job zu finden, sinkt jenseits der 50 deutlich.
Hierher – und wieder weg? Die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Job zu finden, sinkt jenseits der 50 deutlich.

MÜNCHEN Keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt? Zahlen der Bundesregierung, wonach Arbeitslose über 50 große Schwierigkeiten haben, wieder einen Job zu finden, haben aufgeschreckt. Die AZ hat sich deswegen mal angesehen, wie die Lage für ältere Arbeitslose tatsächlich ist. Ergebnis: Menschen über 50 haben höhere Chancen, im Job zu bleiben, als Jüngere – und auch höhere als Ältere noch vor wenigen Jahren. Menschen über 50 werden jetzt viel seltener aus dem Arbeitsmarkt rausgedrängt als früher. Aber: Wer doch rausfällt, kommt kaum wieder rein.

Was sorgt für Aufregung? Gerade sind Zahlen des Arbeitsministeriums bekannt geworden, wonach Teilnehmer spezieller Förderprogramme nur zu 30 Prozent wieder einen Job gefunden haben. Und von denen war ein knappes Fünftel nach einem halben Jahr wieder arbeitslos. Von den Programmteilnehmern hatten 40 Prozent keinen Berufsabschluss. Die Arbeitsagentur sagt, die Vermittlungsquote von 30 Prozent sei bei einer Gruppe, die sonst sehr geringe Chancen hätte, vergleichsweise gut – Grüne und Linke dagegen zeigten sich entsetzt. Gerade im Zusammenhang mit der Rente ab 67 sei es verheerend, wie wenig Chancen Ältere trotz aller Sonntagsreden hätten.

Wie ist die Lage für Menschen über 50? Besser, als sie mit Blick auf diese Gruppe speziell geförderter älterer Arbeitsloser erscheint. Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), zur AZ: „Wir haben einerseits den klaren Befund, dass die Erwerbstätigkeit Älterer deutlich zugenommen hat. Man kann jede Grenze wählen, die man will – über 50, über 55, über 60: In allen Gruppen gibt es weit mehr Erwerbstätigkeit als in den vergangenen Jahren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass deren Risiko, aus dem Arbeitsmarkt herauszufallen – durch Kündigung oder Vorruhestand – deutlich gesunken ist. Andererseits: Die Chance, wieder reinzukommen, wenn man einmal draußen ist, hat sich kaum verändert.“

Wie ist das im Vergleich mit den Jüngeren? Ältere haben ein geringeres Risiko, ihre Stelle zu verlieren, als Jüngere. Pro Monat wandern 0,9 Prozent der Menschen unter 50 von einem Job in die Arbeitslosigkeit – aber nur 0,6 Prozent der Menschen über 50. Die Kehrseite der Medaille: Jüngere tun sich viel leichter, etwas Neues zu finden. Wiederum Walweis Zahlen: Die sogenannte monatliche Abgangsrate (aus der Arbeitslosigkeit in eine reguläre Stelle) beträgt bei sämtlichen Suchenden von 15 bis 65 Jahren sieben Prozent. Bei den 50- bis 55-Jährigen sinkt die Quote auf 5,2 Prozent, in der Altersgruppe 55 bis 60 auf 3,4 Prozent, bei den Über-60-Jährigen auf 2,2 Prozent.

Der Teufelskreis der Geringqualifizierten

Welche Rolle spielen die Bildung und die Qualifikation? Eine entscheidende, „sogar eine größere als bei den Jüngeren“, sagt IAB-Experte Walwei. „Qualifzierte und Hochqualifizierte haben sehr große Chancen, lange in Beschäftigung zu bleiben.“ Für Menschen ohne Abschluss sinken die Chancen ab 50 rapide – vor allem, weil das Spektrum ihrer Möglichkeiten kleiner wird, da körperlich anstrengende Berufe immer mehr ausfallen. Dazu kommt bei vielen der Teufelskreis: Wer gering qualifziert ist, hat womöglich schon längere Phasen der Arbeitslosigkeit hinter sich. Und je länger die Zeit ohne Job dauert, desto schwerer wird der Wiedereinstieg.

Wie sieht es überhaupt mit der Beschäftigung Älterer aus? Besser als früher. Ende der 90er Jahre lag die Erwerbstätigenquote der 50- bis 64-Jährigen bei unter 50 Prozent, heute bei 66 Prozent. Auch bei den 60- bis 65-Jährigen sind heute 44 Prozent erwerbstätig (1991: 20 Prozent). In dieser Gruppe hat eine deutliche Mehrheit (27,5 Prozentpunkte) eine sozialversicherungspflichtige Stelle, der Rest (16,5 Prozentpunkte) ist anderweitig beschäftigt, als Mini-Jobber, Selbstständige oder Beamte.

Wie ist die Lage in München? Der Trend ist der Gleiche – auf gutem Niveau: Während die Zahl der arbeitslosen jungen Erwachsenen bis 25 im Mai gleich um 3,4 Prozent sank, waren es bei den Ü50 nur minus 1,9 Prozent. Damit sind nun 6,0 Prozent der Münchner über 50 auf der Suche nach einem Job.

 

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