"Die Bürgerrechte haben höchste Priorität"

Am Montag gehen die Brexit-Verhandlungen in die nächste Runde. EU-Unterhändler Guy Verhofstadt stellt klare Bedingungen.
Interview: Mirjam Moll |
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Was wird aus den EU-Bürgern im Königreich?
dpa/AZ Was wird aus den EU-Bürgern im Königreich?

London/Brüssel - Der Flame (64) war von 1999 bis 2008 Ministerpräsident Belgiens. Heute ist der Fraktionsvorsitzende der liberalen Alde-Gruppe Brexit-Beauftragter des EU-Parlamentes.

AZ: Herr Verhofstadt, was erwarten Sie sich von der zweiten Brexit-Verhandlungsrunde, die am Montag beginnt?
GUY VERHOFSTADT: Dass es einen deutlichen Fortschritt bei den Bürgerrechten gibt. Das ist die größte Priorität. Und zweitens, dass es eine finanzielle Regelung geben muss. Ein weiterer Punkt ist die Grenzfrage zwischen Nordirland und der irischen Republik. Das wird wohl nicht innerhalb einer Verhandlungsrunde zu machen sein. Die Unsicherheit darf aber nicht anhalten.

Der Vorschlag aus London, dass die 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien ihr Bleiberecht einzeln beantragen müssen und nur solche einen gesicherten Status erhalten, die seit fünf Jahren dort leben, kam nicht gut an. Glauben Sie, dass London noch ein besseres Angebot vorlegt?
Das wird sicher schwierig. Wir wollen, dass die jetzigen Rechte der dort lebenden EU-Bürger gewahrt bleiben. Nicht mehr und nicht weniger. Dasselbe bieten wir auch den hier lebenden Briten an. Eine europäische Demokratie ist nicht dazu gemacht, die Rechte von Bürgern zu beschneiden, sondern sie zu sichern. Der Vorschlag der Briten muss also nach oben korrigiert werden.

Den EuGH als Instanz bei Rechtsstreitigkeiten darüber anzuerkennen, stößt bei den Briten auf Widerstand.
Da gibt es eigentlich nur eine logische Konsequenz. Wenn es eine Übereinkunft zwischen der EU und Großbritannien gibt, dann ist das ein internationaler Vertrag. Und wir wollen nicht, dass der einseitig unter britischem Recht steht. Denn dann können die Briten das auch einseitig verändern. Das Abkommen muss also von beiden Seiten kontrolliert werden – und für die EU wird der EuGH diese Rolle übernehmen.

Die Briten weigern sich bislang auch, zu akzeptieren, dass der Austritt mit Kosten verbunden ist. Es gibt Stimmen, die sagen, solange das so bleibt, brauchen die Verhandlungen gar nicht zu beginnen.
Genau das ist der Punkt. Bisher haben die Briten das nicht anerkannt. Es geht noch nicht einmal darum, über welchen Betrag wir sprechen. Aber die Frage ist, ob sie zumindest einsehen, dass sie bezahlen müssen. Das hat Michel Barnier (Chefunterhändler der EU-Kommission, d. Red.) deutlich gemacht. Ich verstehe nicht, warum sie darüber keine klaren Angaben machen. So verlieren wir unnötig Zeit.

Bleibt denn genug Zeit, um bis Herbst 2018 alles fertig zu verhandeln? Den Rahmen hatte Barnier ja gesetzt, damit die EU-Staaten den Vertrag noch ratifizieren können.
Ja, Oktober 2018 ist praktisch morgen. Bis dahin muss eine Reihe brisanter Fragen geklärt sein: die Konditionen der Trennung, inklusive der Klärung der Grenzverhältnisse zwischen Nordirland und Irland. Es muss eine Idee geben, wie die zukünftigen Beziehungen aussehen könnten. Und wir brauchen eine Basis für die Übergangsphase, bis die Verträge für die neuen Verbindungen stehen. Als Vorlage ließen sich die bestehenden Regeln für ein Assoziierungsabkommen verwenden. Die genauen Konditionen könnten dann in der drei bis vier Jahre dauernden Übergangszeit definiert werden. Bis Herbst 2018 muss also nicht jedes Detail geklärt sein. Aber die Zeit bleibt knapp. Wir werden daher in der Sommerpause weiterverhandeln.

Sie haben damit gedroht, dass das Parlament am Ende ein Veto gegen den ausgehandelten Vertrag einlegt.
Das stimmt, aber das würden wir dann auch vorher bekannt geben. Die Kommission und die britische Seite könnten also nicht sagen, sie hätten davon nichts gewusst. Ob es soweit kommt, lässt sich schwer vorhersehen. Aber wenn die Briten sich gegen all unsere Anforderungen stellen, kann das passieren.

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