Die Armen machen Jagd auf die Ärmsten
JOHANNESBURG - Die Armen gegen die Ärmsten, Schwarz gegen Schwarz: Die fremdenfeindlichen Exzesse mit mittlerweile 22 Toten schocken Südafrika zutiefst.
Ausgerechnet die Regenbogennation von Nelson Mandela. Ausgerechnet die Opfer von jahrzehntelangem Rassismus gehen nun selbst gegen Menschen vor, weil sie anders sind. „Eine nationale Schande“, titelte die „Cape Times“.
Johannesburg, Afrikas wichtigstes Wirtschaftszentrum, versinkt immer tiefer im Chaos. Mindestens 11000 Flüchtlinge haben in Kirchen und Behörden Zuflucht gesucht: allein auf dem Polizeirevier Jeppestown sind 1500 Menschen unter freiem Himmel im Hinterhof zusammengepfercht – dort ist Winter. In der Central Methodist Church in der City hausen 1300 Menschen unter unsäglichen hygienischen Zuständen, verängstigt und zum Teil verletzt. „Es ist einfach nur traurig“, sagt Bischof Paul Verryn. „Die Lage ist so ernst, dass die Polizei sie nicht mehr unter Kontrolle hat.“ Die Flüchtlinge in seiner Kirche erzählen verstört, mit welch unglaublicher Brutalität die Banden vorgehen, die sie aus ihren Armenvierteln vertrieben haben.
Jagt vor allem auf Simbabwer
Die Banden bestehen ebenfalls aus armen Schwarzen, einheimischen Südafrikanern. Sie machen Jagd auf alles, was sie für ausländisch halten: vor allem Simbabwer, aber auch Mosambikaner, Sambier oder Malawier – mit der Parole, die Zuwanderer würden ihnen Jobs und Frauen wegnehmen. Sie ziehen mit Äxten und Knüppeln durch die Gegend, brandschatzen und töten. Bisher sind ihnen 22 Menschen zum Opfer gefallen. Gestern wurde ein Bau-Unternehmer verbrannt, weil er im Verdacht gestanden habe, Ausländer zu beschäftigen, so die Zeitung „The Sowetan“.
Die Exzesse sorgen bei den meisten Südafrikanern für tiefe Scham. „Diese Gewaltorgien zeigen ein moralisches Defizit in unserer Gesellschaft – und es ist besonders beschämend, weil dies im so genannten befreiten Südafrika passiert“, so die Johannesburger Zeitung „Business Day“. „Als wir gegen die Apartheid gekämpft haben, haben unsere Nachbarn unsere Kämpfer aufgenommen und beschützt, als sie es am meisten brauchten. Und nun, wenn wir dran sind, jemanden Schutz zu bieten, bezahlen wir sie mit Mord und Vergewaltigung.“
Zutiefst beschämt reagierte auch Desmond Tutu, der frühere Erzbischof und Friedensnobelpreisträger. „Bitte, bitte, hört auf. Bitte beendet die Gewalt. Bitte, das sind unsere Brüder und Schwestern. Bitte, bitte, hört auf“, erklärte er sichtlich bewegt. „Sie haben uns geholfen, obwohl sie selbst arm waren. Sie haben in Kauf genommen, dass die südafrikanische Armee sie bombardiert hat. Und jetzt töten wir ihre Kinder. Das entwürdigt und beschmutzt unseren Kampf.“ tan
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