Diakonie: In Syrien droht Flüchtlingskatastrophe

Die Diakonie Katastrophenhilfe warnt vor einer weiteren Verschlechterung der Lage für die notleidende syrische Zivilbevölkerung: "Wenn sich der Konflikt weiter zuspitzt, droht ein großer Flüchtlingsstrom und eine humanitäre Katastrophe".
Stuttgart - Es wäre ein großes Wunder, wenn kein Krieg ausbreche, sagte Direktorin Cornelia Füllkrug-Weitzel der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart: "Alles entwickelt sich in diese Richtung."
Aktuellen Berichten zufolge fliehen bereits jetzt immer mehr Familien vor den Kämpfen in die Nachbarländer. Aus dem Norden und dem Zentrum des Landes seien die Türkei und der Libanon am schnellsten zu erreichen, die Flucht aus dem Süden führt am ehesten nach Jordanien.
Die Diakonie Katastrophenhilfe ist laut Füllkrug-Weitzel nicht direkt in Syrien aktiv, weil das derzeit zu schwierig sei. Am dringendsten benötigt würden Nahrungsmittel, Heizmaterial, Kochgeschirr und ähnliche Bedarfsgüter - aber immer häufiger auch psychosoziale Unterstützung.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind in Syrien seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März vergangenen Jahres mehr als 7500 Menschen ums Leben gekommen. "Man muss jetzt noch versuchen, das Ganze politisch zu lösen", sagte Füllkrug-Weitzel, "aber ich habe wenig Hoffnung, dass dies gelingt."
In Syriens Oppositionshochburg Homs spielen sich unterdessen dramatische Szenen ab: Nach wochenlangem Dauerbeschuss rücken Assads Truppen in das Rebellenviertel Baba Amro ein. Die Opposition ruft nach Waffen aus dem Ausland. Doch das ist bei den arabischen Nachbarn umstritten.
Die Oppositionskräfte zogen sich aus Baba Amro zurück, weil ihnen Waffen und Munition fehlten, meldete der Sender Al-Arabija. Bei den Kämpfen sollen mindestens 23 Zivilisten und 12 Soldaten getötet worden sein.
Die französische Journalistin Edith Bouvier, die in Homs mit Kollegen unter Artilleriefeuer geraten und verletzt worden war, wurde am Donnerstag in den Libanon in Sicherheit gebracht. Der französische Präsident Nikolas Sarkozy sagte während des EU-Gipfels in Brüssel, Bouvier und ihr Begleiter seien aus Syrien in den Libanon in Sicherheit gebracht worden. "Sie hat sehr gelitten." Nun werde die Rückkehr der Journalistin auf französisches Territorium vorbereitet, um sie zu behandeln. Zusammen mit Bouvier konnte der französische Fotograf William Daniels in Sicherheit gebracht werden. Er soll unverletzt sein.
Bouvier, der britische Fotograf Paul Conroy sowie die amerikanische "Sunday-Times"-Kriegsreporterin Marie Colvin und der französische Fotograf Remi Ochlik waren in der umkämpften Stadt Homs in einen Artillerieangriff geraten. Colvon und Ochlik kamen dabei ums Leben.
Die Gegner von Präsident Baschar al-Assad forderten unterdessen befreundete Staaten zu Waffenlieferungen auf. Ein neugegründeter Militärrat solle die Verteilung organisieren. Nach der UN-Vollversammlung verurteilte auch der Menschenrechtsrat in Genf das Assad-Regime wegen der fortdauernden Gewalt gegen das eigene Volk.
Das syrische Staatsfernsehen berichtete, 90 Prozent des Rebellenviertels seien in der Hand der Streitkräfte. Die Armee durchsuche das Viertel nach Kämpfern, die noch Widerstand leisten könnten. Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erlaubte das Regime in Damaskus, in Baba Amro Hilfe zu leisten, sobald das Viertel unter völliger Kontrolle der Streitkräfte sei.
"Das IKRK und der Syrische Rote Halbmond haben grünes Licht, am Freitag nach Baba Amro zu gehen und Lebensmittel- und medizinische Hilfe zu leisten sowie Personen herauszuholen", sagte IKRK-Sprecher Salih Dabbikeh der dpa in Damaskus.
Die syrische Opposition, die anfangs als gewaltfreie Bewegung protestiert hatte, setzt im Widerstand gegen das Regime immer stärker auf militärische Gewalt. Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNC), Burhan Ghaliun, sagte vor der Presse in Paris, der SNC habe einen Militärrat gegründet. Sein Ziel sei es jedoch nicht, einen Bürgerkrieg zu führen. Vielmehr wolle man Chaos verhindern.