Deutschland diskriminiert ledige Väter

Europäische Richter: Sorgerechtsregelung verstößt gegen die Menschenrechte. Bisher dürfen Mütter Single-Vätern den Umgang mit dem Kind komplett verweigern. Das muss nun anders werden
von  Abendzeitung

STRASSBURG - Europäische Richter: Sorgerechtsregelung verstößt gegen die Menschenrechte. Bisher dürfen Mütter Single-Vätern den Umgang mit dem Kind komplett verweigern. Das muss nun anders werden

Deutschlands Single-Väter können aufatmen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ihre Stellung deutlich gestärkt. Die Regelung, dass ledige Väter das gemeinsame Sorgerecht nur mit Einwilligung der Mutter erhalten können, diskriminiere eindeutig die Männer.

Wer hatte geklagt? Ein 45 Jahre alter unverheirateter Vater aus Köln, der seit acht Jahren vergeblich um das Sorgerecht für seine 14-jährige Tochter gekämpft hat. Die Mutter, von der er seit 1998 getrennt lebt, war zwar mit häufigen Besuchen einverstanden, lehnte aber ein gemeinsames Sorgerecht ab. Das Bundesverfassungsgericht hatte seine Klage 2003 mit der Begründung abgewiesen, eine Entscheidung gegen die Mutter sei auf jeden Fall schlecht für das Kind.

Wie lautet die Urteilsbegründung der Straßburger Richter? Der Vater sei von deutschen Gerichten anders behandelt worden als die Mutter und als verheiratete Väter. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Diskriminierungsverbot sowie gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens.

Wie ist die geltende Rechtslage in Deutschland? Derzeit steht ledigen Eltern das gemeinsame Sorgerecht nur zu, wenn sie einander nach der Geburt des Kindes heiraten – oder eine einvernehmliche „Sorge-Erklärung“ abgeben. Andernfalls fällt der Mutter das alleinige Sorgerecht automatisch zu. Ein Vetorecht von Müttern gegenüber ledigen Vätern gibt es in Europa außer in Deutschland nur in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein.

Wie bindend ist das Urteil? Der Menschenrechtsgerichtshof entscheidet über Einzelfälle. Ein Staat, dem eine Grundrechtsverletzung nachgewiesen wird, muss aber dafür Sorge tragen, dass sich ein derartiger Fall nicht wiederholt.

Was plant die Regierung? Die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kündigte an, eine Sorgerechts-Reform „mit Hochdruck“ zu prüfen. Noch vor zehn Jahren sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es einem Kind mehr schadet als nützt, wenn die gemeinsame Sorge gegen den Willen der Mutter erzwungen wird. „Rollenverteilungen, Familien- und Lebensformen“ befänden sich allerdings im Wandel. Der Kontakt zwischen Vater und Kind sei bereits durch das Umgangsrecht gewährleistet, sagt dagegen Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU): „Ich halte daher nichts von einer Regelung, wonach ledige Väter grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht erhalten.“jox

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