Deutsche EU-Präsidentschaft muss neu geplant werden

Klima, Digitalisierung, Brexit, China: Das sollten eigentlich Hauptthemen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr sein. Jetzt wird alles anders.
dpa |
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Der Mond geht hinter der EU-Flagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin auf. Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft am 1. Juli von Kroatien für ein halbes Jahr.
Christoph Soeder/dpa/dpa Der Mond geht hinter der EU-Flagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin auf. Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft am 1. Juli von Kroatien für ein halbes Jahr.

Berlin - Die Corona-Krise wirft die bisherige Planung für die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft nach Einschätzung des deutschen EU-Botschafters in Brüssel, Michael Clauß, über den Haufen.

"Die ersten Erfahrungen mit der neuen Realität zeigen: Unsere Präsidentschaft wird nicht mehr in der geplanten Art und Weise stattfinden können", heißt es in einem vertraulich eingestuften Bericht des Top-Diplomaten an das Kanzleramt und die Bundesministerien, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuerst der "Spiegel" berichtete.

Dies betreffe die inhaltliche Vorbereitung, die Arbeitsweise wie auch die Planung von Veranstaltungen. "In den Mittelpunkt rücken fortan die Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen, Krisenmanagement, Exit und Wiederaufbau - womöglich die Aufrechterhaltung der EU-Integration an sich", schreibt Clauß. "Hieran wird der Erfolg unserer Präsidentschaft gemessen werden."

Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft am 1. Juli von Kroatien für ein halbes Jahr. Als zentrale Veranstaltung ist im September ein großer EU-China-Gipfel in Leipzig geplant. Daneben hatte man sich inhaltlich darauf eingestellt, dass Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und die Auswirkungen des Brexit im Mittelpunkt stehen würden.

Die Agenda wird nach Einschätzung von Clauß nun eine ganz andere sein. "Das bedeutet gleichzeitig, dass Themen, die gestern noch hohe Priorität hatten, zwangsläufig überlagert oder ganz in den Hintergrund treten werden", schreibt er.

Clauß weist auch auf erhebliche logistische Probleme durch die Corona-Krise hin. Die Handlungsfähigkeit der EU werde "in der Breite bis auf weiteres stark eingeschränkt bleiben". Der Botschafter nennt die Einschränkungen im Reiseverkehr und das Gebot, physisch Abstand zu halten, das voraussichtlich bis weit in deutsche Ratspräsidentschaft erhalten bleiben werde.

Bei der Umstellung auf Videodiplomatie gibt es aber offensichtlich erhebliche Probleme. Der Rat sei derzeit nicht in der Lage, mehrere Videokonferenzen gleichzeitig auszurichten und dies nur ohne geschützte Leitung, moniert Clauß. "Und Videokonferenzen, selbst wenn durchführbar, werden physische Treffen nicht gleichwertig ersetzen können (keine formale Beschlussfähigkeit, keine Gespräche am Rande, keine Vertraulichkeit der Verhandlungen, keine Verdolmetschung, Schwierigkeiten bei der Textarbeit)."

Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen vier Mal im Jahr zu turnusmäßigen Gipfeltreffen zusammen. Hinzu kommen Sondergipfel und zahlreiche Ministertreffen.

Zudem zeichne sich ab, dass sich der EU-Gesetzgebungsprozess erheblich verlangsame, mahnt Clauß. "Die hiermit verbundenen erheblichen Kapazitätsengpässe sind ein nicht zu unterschätzender Flaschenhals. Sie werden aus hiesiger Sicht eine radikale Priorisierung und Reduzierung der Themen, die wir behandeln können, unumgänglich machen, zumindest für den Beginn unserer Präsidentschaft", schreibt der Botschafter. "Alles andere werden wir auf Sicht fahren müssen."

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