„Derzeit nicht möglich“

Nach Kritik und massivem Druck von unten rudern die Abgeordneten zurück: Die geplante Diätenerhöhung ist vom Tisch. Fraktionschefs von SPD und Union stoppen in letzter Minute die Extra-Diäten-Erhöhung.
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Der Deutsche Bundestag: 612 Abgeordnete sitzen im Parlament.
dpa Der Deutsche Bundestag: 612 Abgeordnete sitzen im Parlament.

BERLIN - Nach Kritik und massivem Druck von unten rudern die Abgeordneten zurück: Die geplante Diätenerhöhung ist vom Tisch. Fraktionschefs von SPD und Union stoppen in letzter Minute die Extra-Diäten-Erhöhung.

Notbremsung in letzter Minute: Die Fraktionschef der großen Koalition haben am Montag die geplante Diätenerhöhung gestoppt – wenige Tage, bevor sie endgültig verabschiedet worden wäre. Geschafft hat das massiver Druck von Basis und Bürgern. Im November hatten sich die Bundestags-Parlamentarier bereits eine Doppel-Erhöhung genehmigt: plus 4,7 Prozent im Januar 2008 und plus 4,5 Prozent im Januar 2009. Weil man ja so viele Nullrunden hatte. Und nun sollte es nochmal Nachschlag geben – weil ja auch die Bezüge im öffentlichen Dienst angehoben werden: nochmal plus 3,6 Prozent im Januar 2009 und dann 2,7 Prozent im Januar 2010. Alles in allem 16 Prozent mehr innerhalb von drei Jahren.

Doch dieses zweite Paket flog der großen Koalition nun spektakulär um die Ohren. Zu groß war der Unmut bei der SPD, aber auch in der Union hatte es wachsenden Widerstand gegeben. Schon bei der Probeabstimmung in der SPD Fraktion hatte sich nur eine knappe Mehrheit gefunden. Und seit Beginn der Pfingstferien sind keine Sitzungen im Bundestag. Das heißt, die Abgeordneten sind daheim im Wahlkreis – und werden dabei offenbar ziemlich gegrillt. Die Umfragen sind deutlich: 84 Prozent der Bürger sind gegen die Diätenerhöhung.

Und so erklärten jeden Tag neue SPD-Abgeordnete und SPD-Gruppierungen ihren Widerstand gegen das Plus. Fraktionschef Peter Struck war höchst alarmiert – und setzte für Montag ein Treffen mit seinem Unions-Kollegen Volker Kauder an, um ihm zu sagen: Wir müssen das stoppen. Die Führung der Union, bei der es selbst genügend kritische Stimmen gibt, geriet in Panik – als letzter Vorkämpfer für die Zusatz-Erhöhung wollte man auch nicht dastehen.

Erhöhung nicht vermittelbar

Fast gleichlautend erklärten dann die Fraktionschefs von SPD und Union: Die Erhöhung ist vom Tisch. Volker Kauder (CDU): „Wir halten grundsätzlich die Orientierung der Diäten an der Besoldung einfacher Bundesrichter für richtig. Die Erhöhung ist jetzt aber offensichtlich nicht vermittelbar.“ Peter Struck (SPD): „Angesichts der öffentlichen Debatte halte ich die Umsetzung derzeit nicht für möglich.“

In einem Brief an alle 222 SPD-Abgeordneten schrieb Struck: „Wir brauchen offenkundig mehr Zeit, um in der Öffentlichkeit, aber auch der eigenen Partei Akzeptanz dafür herzustellen.“ Er bat diejenigen Abgeordneten, die bisher für die Erhöhung waren – und teils heftig geprügeltworden waren – um „Verständnis“ für den Schwenk. „Aber ich sehe keine andere Möglichkeit für die Fraktion, zusammenzubleiben“, so Struck. Die Abgeordneten seien in eine „unzumutbare Lage“ geraten. Bei der Opposition gab es Jubel und Häme zuhauf, sie feierte den „ Sieg der Vernunft“.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn: „Es ist gut, dass die große Koalition eingesehen hat, dass die Diätenerhöhung nicht in die Zeit passt. Sie wäre gut beraten, künftig von vorneherein die soziale Realität im Land zu erkennen.“ Sein FDP-Kollege Guido Westerwelle: „Das war nicht innere Einsicht, sondern äußerer Druck.“ Er sprach von einem „Diäten-Desaster“, das die Abgehobenheit und Lebensferne der Regierungsspitzen verdeutliche. Dagmar Enkelmann (Linke) erklärte: „Das war neben der üblichen Angst vor uns auch die Angst vor derWut der Bürger.“ tan

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