Der Zug zur Macht

Stuttgart 21 könnte die CDU die Mehrheit kosten. Verhindern kann dies vielleicht noch Heiner Geißler als neuer Vermittler. Doch die Grünen laufen sich warm: Sie sind nun stärker als die SPD
von  Abendzeitung
Der alte Fuchs der CDU: Heiner Geißler soll vermitteln.
Der alte Fuchs der CDU: Heiner Geißler soll vermitteln. © dpa

Stuttgart 21 könnte die CDU die Mehrheit kosten. Verhindern kann dies vielleicht noch Heiner Geißler als neuer Vermittler. Doch die Grünen laufen sich warm: Sie sind nun stärker als die SPD

STUTTGART/BERLIN „Einen Vorschlag, den man nicht ablehnen kann“, hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in unfreiwilliger Mafia-Tonlage versprochen. Seit gestern ist klar, wie dieser aussieht: Heiner Geißler, Ex-CDU-Generalsekretär, soll in dem verfahrenen Streit aus Bahnhofs-Befürwortern und -Gegnern vermitteln.

Die Personalie ist für beide Seiten eine Drohung: Denn einerseits gehört Geißler der Stuttgarter Regierungspartei an, die den Bahnhof will. Andererseits ist der 80-Jährige insbesondere in seinen späten Jahren auch durch viele linke Sprüche und seine Mitgliedschaft im globalisierungskritischen Netzwerk Attac bekannt. Dieses wiederum trägt den Protest gegen das umstrittene Projekt Stuttgart 21 mit.

Dafür, dass es Mappus mit dem Geißler-Plan gelingen könnte, den Konflikt zu entspannen, spricht zumindest eines: Keine der beiden Seiten übte Kritik an dem Vorschlag. Geißler sei bereit, als „objektiver Vermittler“ aufzutreten, versicherte Mappus vorsorglich bei einer Regierungserklärung im Landtag. „Und er kennt Land und Leute.“

Dazu kommt: Er kennt auch das Verhandlungsbusiness. Geißler hat bei mehreren kritischen Tarifverhandlungen erfolgreich geschlichtet – auch bei der Bahn. Doch bei dieser Schlichtermission steht mehr auf dem Spiel als Gehaltsprozente. Es geht um die Macht – zunächst im Ländle, dann im ganzen Land. Wenn „Stuttgart 21“ bis zur Wahl in Baden-Württemberg nicht vom Eis ist, ohne dass Mappus das Vertrauen der Bürger wieder hat, droht Schwarz-Gelb in Stuttgart am 27. März 2011 der Machtverlust.

Dann aber wäre es nur eine Frage der Zeit, bis in der CDU eine Revolte gegen die Chefin beginnt. Einen Verlust der Regierungsmehrheit im Stammland würde Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel politisch nicht überleben, glauben viele.

Zumal immer stärker klar wird, dass die Konkurrenz Merkel auf deren eigenem Terrain das Wasser abgräbt. Öffnen wollte sie die CDU für neue Schichten – doch die Zielgruppe zieht es zu den Grünen.

Gestern brachte eine neue Umfrage von Forsa einen weiteren Paukenschlag: Erstmals ziehen die Grünen an der SPD vorbei und sind damit zweitstärkste Kraft in Deutschland. 24 Prozent Grüne, 23 Prozent SPD – das dürfte für eine parlamentarische Mehrheit für, nein: nicht Rot-Grün, sondern Grün-Rot reichen. Die Union liegt dagegen bei 31, die FDP bei 5, die Linke bei 10 Prozent. Und folgerichtig debattierte gestern auch der Bundestag über das Projekt, das einmal nur von lokaler Bedeutung war. Und nun das ganze Land umkrempeln könnte: Stuttgart 21. mue

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