Der Ungeliebte - Wie die CSU Horst Seehofer eine Lektion erteilt

Nürnberg - Zehn Wochen vor der Bundestagswahl verpasst die CSU Horst Seehofer bei seiner Wiederwahl zum Parteichef einen Dämpfer – mit nur 85 Prozent. Die Delegierten haben keine Alternative, aber sie zeigen Seehofer, dass sie ihn nicht lieben.
Für einen Moment stockt Horst Seehofer der Atem. Die Farbe seines Gesichts wird kreidebleich. Es verschlägt ihm die Sprache. Edmund Stoiber, der neben ihm sitzt, legt seine Stirn in tiefe Falten und schweigt. Nur Theo Waigel, der Ehrenvorsitzende der CSU, redet beruhigend auf den Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten ein: „Das ist ein ehrliches Ergebnis“.
Genau das wird Seehofer später zu den Journalisten sagen, wenn er seine Sprache wieder gefunden hat. „Ein ehrliches und gutes Ergebnis.“ Die CSU-Basis hat ihn gerade bei seiner Wiederwahl abgestraft. Völlig unerwartet. Mit 85 Prozent. Dabei hatte Seehofer mit einem Liebesbeweis von gut über 90 Prozent gerechnet. So, wie es in der CSU sonst üblich ist.
Nur 835 der rund 1000 Delegierten haben ihre Stimme abgegeben. Lediglich 710 stimmen für Seehofer. Die Parteitagsführung setzt den Weichzeichner an, rechnet die ungültigen Stimmen nicht mit und verkündet 88,09 Prozent. Doch auch das nützt nichts mehr.
Seehofer drückt auf die Tränendrüse
Kein Wort des Dankes an die Delegierten kommt Seehofer für dieses Ergebnis über die Lippen. Der Applaus für den Wiedergewählten fällt mau aus. Die Stimmung in der Nürnberger Messehalle ist eigenartig depressiv.
Dabei hat Seehofer zuvor noch versucht, sich mit seiner Rede bei der Basis einzuschleimen. Er drückt auf die Tränendrüse: „Ich bin stolz auf euch.“ Er stellt den Team-Gedanken heraus, bedankt sich bei jedem einzelnen an der Parteispitze und in seinem Kabinett. Er lobt die über den Schellnkönig, denen er sonst regelmäßig ans Schienbein tritt und sie behandelt wie dumme Schulbuben und Schulmädchen.
Doch so leicht lässt sich die Parteibasis nicht mehr einfangen. Sie nimmt ihm das Gesäusel nicht ab. Der alte CSU-Haudegen und Ex-Postminister Wolfgang Bötsch, der noch andere Zeiten gewöhnt ist, schüttelt da nur noch ungläubig den Kopf und giftet: „Denen fehlt heute wohl die kollektive Intelligenz.“ Sein Weggefährte Theo Waigel hält dagegen: „Es ist doch besser als so ein Schalmeien-Ergebnis.“ Nur Erwin Huber, der vor einem Jahr hier noch an der CSU-Spitze stand, hat seine Schlagfertigkeit behalten. „Unser Ziel in der CSU ist immer 50 plus X“, grinst er.
Auch seine Stellvertreter bekommen einen Denkzettel
Auch Seehofers Stellvertreter werden bei der Vorstandswahl mit abgewatscht: Der Bundestagsspitzenkandidat Peter Ramsauer, Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Justizministerin Beate Merk und der ausgemusterte Europa-Experte Ingo Friedrich. Drei von ihnen geraten sogar unter die 80 Prozent. Auch Ramsauer, der 79 Prozent bekommt.
Vielleicht ist es die Quittung für ihren gemeinsamen Schalmeien-Auftritt beim faden Delegiertenabend. Eine nachträgliche Geburtstagsparty zu Horst Seehofers 60igstem hätte der werden sollen. Doch das Programm, das Generalsekretär Alexander Dobrindt organisiert hat, gleicht eher einem deutschen Turnfest mit einer Art Jörg-Pilawa-Show. In der treten Seehofers Vizes auf und beweihräuchern ihn, als fände der Parteitag nicht in Nürnberg, sondern in Nord-Korea statt.
Dabei sollte dieses CSU-Wochenende der Auftakt zum Wahlkampf werden. Doch vom Wahlkampf gibt es kaum eine Spur. Seehofer versucht in seiner Rede vor allem sich selbst zu rechtfertigen und offenbart dabei, wie sehr er darunter leidet, dass er einfach nicht verstanden wird. „Glaubt mir, mir geht’s um den Erfolg in der CSU“, versichert er und appelliert: „Wir müssen zusammenstehen.“
Die Rechtfertigungsarie des Parteichefs
Beim Thema Quelle verteidigt er sich: „Ich habe keine Holzmann-Show abgezogen. Ich habe ihnen nicht das Blaue vom Himmel versprochen.“ Genau habe er überlegt: „Werden wir wirklich Arbeitsplätze sichern, oder sind wir auf dem Holzweg wie bei Holzmann, dass am Ende die Steuergelder und die Arbeitsplätze weg sind. Das wollen wir nicht.“
Seehofer inszeniert sich als der große Kümmerer. Ob ihm das die Wähler abnehmen, wird sich am 27. September bei der Bundestagswahl herausstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Freitag den Vorsitzenden der kleinen Schwesterpartei schon in die Schranken gewiesen: „Beiß die Richtigen.“
Der Europa-Abgeordnete Markus Ferber, der mit Seehofer seit Wochen um die Europa-Politik streitet, hat da gegiftet: „Der bayerische Löwe ist erlegt. Sein Fell liegt jetzt im Kanzleramt.“ Volker Kauder, der Abgesandte der Kanzlerin beim CSU-Parteitag und Chef der Unionsfraktion, legt am Samstag noch eins drauf: „Das Fell liegt nicht nur im Kanzleramt. Bundeskanzlerin Angela Merkel schläft jetzt drauf.“
Angela Böhm