Der Terror sticht in See
MÜNCHEN - Seit Jahresbeginn wurden am Horn von Afrika 95 Frachter von Piraten überfallen. Dass Seeräuber die Welt bedrohen, liegt jedoch daran, dass der Westen in Somalia versagt hat
Die Küste vor Somalia ist ein Paradies für Piraten: Schiffe mit wertvoller Fracht dümpeln in das Revier der Freibeuter – und diese nehmen sich, was sie kriegen können. In diesem Jahr gab es bislang 95 Übergriffe auf Handelsfrachter, Tanker, Jachten und Segelboote. 15 Frachter sollen zurzeit noch in Händen der Räuber sein.
Die Piraten sind nach Auffassung westlicher Geheimdienste mittlerweile in der Lage, den wichtigen Seeweg zwischen Europa und Asien komplett zu kappen. „Die Seeräuber haben mittlerweile ein derartig gut funktionierendes Netz für ihre Überfälle aufgebaut, dass wir mit dem Schlimmsten rechnen müssen“, heißt es.
So groß das Entsetzen in der westlichen Welt ist – letzten Endes ist sie selbst dafür verantwortlich. Der Terror sticht von Somalia aus in See – und dort können die Piraten machen, was sie wollen. In ihrer Heimat herrscht seit dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 Bürgerkrieg. Es regieren nicht Politiker – sondern verfeindete Clans.
1993 wurden Blauhelme aus Somalia gejagt
Die Uno hat bereits einmal versucht, Somalia zu befrieden. Doch die Blauhelme konnten nichts ausrichten. Die Truppen wurden 1993 regelrecht aus dem Land gejagt – unvergessen das Bild des Mobs, der den Leichnam eines toten amerikanischen Soldaten durch die Straßen von Mogadischu schleifte. Seither kommt ab und zu mal die Welthungerhilfe vorbei – das war’s dann auch mit dem westlichen Engagement für den Frieden in Somalia.
Und so konnte die Piraterie gedeihen. Hochburg der Piraten ist die somalische Region Puntland, wo auch das Terror-Netzwerk El-Kaida seit langem Fuß gefasst hat. Hier gibt es keine Justiz, die die Seeräuber bestraft. Ihr Geschäft betreiben die Gesetzlosen professionell: Junge, unzufriedene Somalis werden als Piraten angeworben. Von Mutterschiffen aus schwärmen sie in kleinen schnellen Booten aus. Mit Hilfe der Versorgungsschiffe können sie auch auf hoher See angreifen. Die langsamen Beute-Schiffe aus westlichen Reedereien haben keine Chance.
Das erpresste Lösegeld wird auf die Clans verteilt. Tausende Familien können so von der Piraterie leben. 35 Millionen Euro Lösegeld haben internationale Reeder nach Informationen des „Independent“ in diesem Jahr schon gezahlt. Das sind 50 Prozent mehr als der ganze Haushalt von Puntland. Kein Wunder, dass Puntland boomt: Die Piraten hätten „die schönsten Frauen, die schnellsten Autos und die besten Waffen“, berichtet ein US-Geheimdienstler. Moderne Seeräuberei gelte hier als „gesellschaftsfähig“.
30 Prozent der Öltransporte verlaufen über die Route
Wie in jedem Konzern wird das Geld nicht nur an die Anteilseigner ausgeschüttet, sondern auch investiert. Je mehr Lösegeld es gibt, desto mehr Waffen und Schiffe bekommen die Piraten. Die Gangs sind mit Panzerfäusten ausgerüstet, sie haben GPS-Satellitennavigation und Laptops zur schnellen Übermittlung von Lösegeld-Forderungen.
Was als Beutezug von kleinen Gangstern begann, ist zur globalen Bedrohung geworden. Die Banden behindern den Warenverkehr der Weltwirtschaft an ihrem Nadelöhr. Über 16000 Schiffe passieren den Golf von Aden jährlich, etwa 30 Prozent der weltweiten Öltransporte verlaufen über die Route.
Nicht nur das Leben der Schiffsbesatzungen ist bei den Überfällen der oft im Drogenrausch operierenden Seeräuber in Gefahr. Nicht auszudenken, welche Folgen für die Umwelt drohen, wenn die Piraten einen Öltanker versenken. Und was die Terroristen erst tun, wenn ihnen ein Kreuzfahrtschiff mit Hunderten Menschen in die Hände fällt.
Plötzlich fanden die Piraten auf einem Schiff Panzer
Im Oktober überfielen Piraten die „Faina“, einen ukrainischen Frachter. An Bord: 33 Panzer, die wohl für den Bürgerkrieg im Sudan bestimmt waren. Aus Versehen deckten die Piraten so einen Waffendeal auf und blamierten die ukrainische Regierung. Der Vorgang zeigt, wie skrupellos auch andere Staaten in der Region vorgehen. Die einen versenken vor der Küste Somalias Atomschrott und Giftmüll, andere plündern die Fischgründe.
Die Reeder, die durch die Piraten schwere Verluste erlitten haben, fordern Schutz durch Kriegsschiffe. Sonst müssen ihre Schiffe den Weg um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika nehmen – das dauert 20 Tage länger. Nato und EU haben angekündigt, Schiffe vor die somalische Küste zu schicken. Aber was nützt das? Wer das Problem mit den Piraten lösen will, muss mit Hilfe im Inneren von Somalia anfangen.
Volker ter Haseborg
"Schwarzbart" und "Stürz-den-Becher": Die berühmtesten Seeräuber
Der Bart war schwarz und reichte bis zu den Augen. Er trug eine Pelzkappe und steckte eine ngezündete Lunte unter jede Seite.“ So beschrieb der Kapitän Charles Johnson 1724 Edward Thatch, genannt Blackbeard. „Schwarzbart“, geboren 1680, war Matrose auf englischen Militärschiffen, die in der Karibik feindliche Schiffe plünderten. Später wurde er Kapitän des Piratenschiffes „Queen Annes Revenge“. 1718 wurde er gefangen genommen und getötet, beziehungsweise erstochen, erschossen und enthauptet. Schon in der Antike gab es Seeräuber, die Griechen nannten sie „peirates“ (Der riskiert’s). „Freibeuter“ hatten von ihren Königen die Erlaubnis zu kapern. So auch Sir Francis Drake. Er überfiel spanische Schiffe, die mit Schätzen aus Amerika kamen. 1580 war er der erste englische Weltumsegler. Weil er einen Teil der Beute immer brav Elisabeth I. gab, schlug die ihn aus Dank zum Ritter.
Als wohlhabendster Pirat gilt Sir Henry Morgan, er war ein Sparer. 1671 besetzt er mit 36 Schiffen Panama. Nach seiner ersten Karriere wurde er in den Adelsstand erhoben und bekämpfte als „Lieutenant-Governor“ von Jamaika Seeräuber
Die Irin Anne Bonny plünderte als Mann verkleidet mit Jack Rackham und der ebenfalls verkleideten Mary Read. Die Frauen entgingen 1720 der Enthauptung, weil sie beide schwanger waren.
Biertrinker Klaus Störtebeker („Stürz den Becher“), geboren 1370, war Freibeuter des schwedischen Königs Albrecht. Später raubte er als Pirat Schiffe aus Hamburg und Bremen aus. Legendär ist sein Tod 1401. Störtebeker dealte aus, dass jeder seiner Männer verschont bleibt, an denen er nach der Enthauptung ohne Kopf vorbeigehen kann. Elf sollen es gewesen sein – dann stellte ihm der Henker ein Bein.
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