Der Strompreis-Irrsinn

Strom ist so teuer geworden, weil Strom so billig geworden ist: Nein, wir haben uns nicht vertippt, es ist leider so absurd. Die AZ beleuchtet, was die großen Preistreiber sind – und was man tun könnte
von  tan
Wind oder Sonne? Bei der Energiewende gibt es noch einiges nachzujustieren.
Wind oder Sonne? Bei der Energiewende gibt es noch einiges nachzujustieren.

Strom ist so teuer geworden, weil Strom so billig geworden ist: Nein, wir haben uns nicht vertippt, es ist leider so absurd. Die AZ beleuchtet, was die großen Preistreiber sind – und was man tun könnte

BERLIN Es klingt zu absurd, um wahr zu sein – aber leider ist es so: Wir müssen immer mehr für Strom bezahlen, weil er immer billiger wird. Die AZ versucht, dieses und andere paradoxe Element der Energiewende zu erklären.

Strom wird teurer, weil er billiger wird. Dieser Mechanismus ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so angelegt worden. Es garantiert den Besitzern beispielsweise von Solaranlagen für 20 Jahre einen Fixpreis für den von ihnen produzierten Strom. Das heißt, sie bekommen die Differenz zwischen dem tatsächlichen aktuellen Strompreis und dem Fixpreis erstattet. Wenn nun aber wie derzeit der tatsächliche Strompreis sinkt (unter anderem, weil es so reichlich Ökostrom gibt), steigt die Differenz zum Fixpreis. Also der Zuschuss für den Solardach-Besitzer: Denn er kriegt ja immer den gleichen Betrag für seinen Strom. Und dieser Zuschuss wiederum wird aus der EEG-Umlage bezahlt – die wird dem normalen Stromendkunden mit draufgeschlagen.

Zur Verdeutlichung ein Rechenbeispiel: Dem Solardachbesitzer werden angenommen zehn Cent pro Einheit Strom garantiert. Früher hat er dafür acht Cent am Markt bekommen plus zwei Cent aus der EEG-Umlage. Sinkt der Marktpreis auf sechs Cent, muss er jetzt vier Cent aus der Umlage kriegen. Dieser Mechanismus sollte den Sinn haben, Solaranlagen-Besitzer zu unterstützen, solange ihr Strom noch nicht mit den Marktpreisen mithalten kann. Den aktuellen Effekt – Strom wird teurer, je mehr auf den Markt kommt – wollte niemand.

Was heißt das in Euro? Schon heute zahlt ein Haushalt 185 Euro EEG-Umlage pro Jahr. Das wird nächstes Jahr voraussichtlich auf 225 Euro steigen. Die genauen Zahlen werden am 15. Oktober vorgelegt.

Wer sind die Preistreiber? Der beschriebene Effekt wegen des Preisverfalls an der Börse ist zu 52 Prozent schuld an der nächsten Erhöhung, so eine Studie von „Energy Brainpool“. Weitere 25 Prozent gehen auf die immer üppigeren Ausnahmeregeln zurück. Aktuell lassen sich 2262 Firmen von der Umlage befreien (2012 waren es 979). Was sie nicht zahlen, wird auf die verbleibenden Zahler verteilt. Auf Platz drei der Preis-Erhöhungsursachen liegt mit 13 Prozent der eigentliche Ausbau der grünen Energien. Der Rest verteilt sich auf sonstige Faktoren wie Netzbetreiber.

Was lässt sich dagegen tun? Diskutiert werden viele Wege. Erstens: Man zwingt die Stromversorger per Gesetz, die fallenden Marktpreise stärker an die Kunden weiterzugeben – dann bleibt die EEG-Umlage zwar hoch, aber der Endpreis sinkt. Zum gleichen Ergebnis führt die zweite Forderung: Die Stromsteuer soll sinken. Andere wollen die Ausnahme-Regeln zurückfahren – was sinnvoll ist, aber alleine nicht viel bringt, weil sie nicht der größte Kostenfaktor sind. Andere wollen radikaler ran und das ganze EEG-System ändern. Zum Beispiel die Regierungsberater, die jetzt ihren Bericht vorlegten. Sie fordern einen Umstieg auf das schwedische System: Auch das skandinavische Land arbeitet an einer Energiewende. Dort gibt es keine Fixpreise, sondern ein Quotensystem: Den Energieversorgern wird vorgeschrieben, welchen – jährlichen steigenden – Anteil ihres Stroms sie aus erneuerbaren Quellen beziehen müssen. Die auf diese Weise ständig wachsende Nachfrage führt automatisch zu guten Preisen für Öko-Strom. Und dazu, dass vor allem die effizientesten Erzeugungsarten boomen: In unseren Breiten ist das Windkraft und eben nicht Photovoltaik.

 

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