"Der Strauß, der Stoiber und ich"

Die CSU beim Politischen Aschermittwoch: Leicht abgenutztes Ritual
von  Anja Timmermann
"Das ist mein Vermächtnis", sagte Edmund Stoiber - und flocht geschickt Franz-Josef Strauß mit ein.
"Das ist mein Vermächtnis", sagte Edmund Stoiber - und flocht geschickt Franz-Josef Strauß mit ein. © dpa

Länderfinanzausgleich, Digitalisierung: CSU-Chef Horst Seehofer spannt für die Geschichtsbücher schon mal den ganz großen Bogen. Und Edmund Stoiber erinnert an sein Vermächtnis

PASSAU Willkommen zur Leistungsschau der derben Sprüche. Zur alljährlichen Selbstvergewisserung. Zum angestaubten Hochamt der CSU. Zentrale Botschaft heuer: Wir sind wieder da, wir haben uns lieb, wir können’s alleine. Die Rollen sind klar: Edmund Stoiber tritt als der altersmilde Patriarch auf, Horst Seehofer als selbstbewusste Rampensau.

Zwölf Minuten lassen sie sich Zeit für den Einmarsch. Horst Seehofer rechts, Edmund Stoiber links, Karin Seehofer in ihrer Mitte. Direkt dahinter, ein bisschen blumenkindermäßig, die Generalsekretäre Alexander Dobrindt und Dorothee Bär. Fürs große Familienfest setzen alle ihre fröhlichste Miene auf: Am Rand winken Markus Söder („Schmutzeleien“), Peter Ramsauer („Zar Peter“) und Erwin Huber, von Seehofer entmachtet.

Aber heut’ soll das egal sein. Heute will man zusammenhalten, gegen die „donauaufwärts“, die Sozen. Die sich vorgenommen haben, den Platzhirsch zumindest massemäßig beim Aschermittwoch einmal zu übertrumpfen. Heute will man beschwören, was die CSU zusammenhält, unter anderem der bayerische Papst, jetzt erst recht, und neuerdings der Mindestlohn.

Das Ritual ist etwas angestaubt

Es ist eine gemischte Stimmung in der Halle. Ein bisschen abgenutzt ist es ja, das Ritual der CSU. Lebt die alte Stärke noch einmal auf, die die Zuschauer mit ihren weißblauen Schals und ihren Seehofer-Superstar-Plakaten beschwören? War die Koalition mit der FDP vielleicht doch nur ein Betriebsunfall? Oder ist es ein letztes Aufbäumen in einer sich ändernden Zeit?

High-Tech ist heuer angesagt. Ein Videoclip feiert das „Paradies Bayern“. Die Alpen, Schloss Neuschwanstein, darauf ist die CSU stolz. Ein tief gerührter Edmund Stoiber tritt dann ans Pult, als Vorgruppe sozusagen, nachdem er letztes Jahr für Seehofer eingesprungen war, der als amtierendes Staatsoberhaupt nicht so draufhauen konnte. Gefeiert wird Stoiber, „du Mister Aschermittwoch“, auch diesmal. „Die CSU ist wieder da.“ Leidenschaft, Volksnähe, Sachkompetenz. „Jammern und Nörgeln ist die Spezialität der anderen. Damit werden die hier nie regieren.“

Stoiber sagt: "Ich bin milde geworden"

Ach ja, die Opposition. „Das bunte Häuflein Aschermittwoch-Importe. Die einmal im Jahr Volksnähe zeigen wollen. Früher hätt’ ich mir die ja einzeln vorgenommen, aber ich bin jetzt Ehrenvorsitzender und milder geworden“, sagt er Richtung Vilshofen. „Ihr werdet Bayern nie verstehen. Bleibt lieber zuhause.“

Das war’s aber auch schon in der Abteilung Angriff. Danach zieht er lange Bögen über den Euro, die USA, Nordkorea, die sich drastisch ändernde Welt, in der Stillstand tödlich ist.

Er sagt, dass man Mütter, die arbeiten, nicht mehr als Rabenmütter diffamiert und sogar auch, dass die landschaftlichen Schönheiten Bayerns nicht das Verdienst der CSU sind. Das Publikum driftet langsam ab.

Und ganz am Schluss erst macht er deutlich, dass der Auftritt sein Vermächtnis ist. „Das ist meine letzte Rede. Auf jeden Fall hier beim Aschermittwoch, vielleicht auch überhaupt.“

Seine Botschaft: „Haltet zusammen. Tragt das große Erbe der CSU weiter“, sagt er und flicht unauffällig die Kombination „Strauß und ich“ ein. Es gibt drinnen viel Beifall, aber draußen sagen die Zuschauer leicht enttäuscht, es sei ja schon etwas fad gewesen. „Ich hätt’ gedacht, dass das viel deftiger ist. Das war mir zu lang und zu sachlich für einen Aschermittwoch“, so Peter Foitzik aus Nürnberg.

"Bayern sind reich, aber nicht blöd"

Aber dann kommt Horst Seehofer. Selbstbewusst, spöttisch, blendender Laune. Pointe um Pointe haben ihm die Redenschreiber aufgeschrieben. Sein erstes Opfer ist Peer Steinbrück. „Jetzt weiß ich auch, warum der Beinfreiheit wollte: um besser von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen zu hüpfen.“

Oder: Hat jemand aus dem Saarland was zum Länderfinanzausgleich gesagt? „Wenn Sie da mal hinfahren, müssen Sie sich vorher überlegen, was Sie dann am Nachmittag machen. Das ist kleiner als ein bayerischer Landkreis.“ Berlin ist arm, aber sexy? „Wir Bayern sind reich, aber nicht blöd.“

Ziel seiner Angriffe sind Sozis und Grüne. FDP, Freie Wähler und CDU werden geschont, man könnte sie ja noch brauchen.

Jetzt ist die Stimmung schön hitzig, und Seehofer spielt mit ihr, wechselt zwischen Frotzeln, Ernst, Angriff und Pathos. Wie er, Seehofer, mal einen Karriere-Knick hatte, sei er zum VdK und habe für die kleinen Leute gekämpft, ohne einen Cent dafür zu nehmen. Und Steinbrück? Reden halten und kassieren.

"Wir könnten es auch allein"

Die kleinen Leute, für die will er jetzt auch kämpfen, ruft Seehofer. Für die Familien, für die Mütter, die bei der Rente benachteiligt werden. Für den Mittelstand, für die Facharbeiter, für die Bauern.

Er reizt die Bayern-Karte aus. Noch kein bayerischer Ministerpräsident habe sich daran gehalten, dass Außenpolitik in Berlin gemacht wird. „Wir vertreten uns selber.“ Auslandsreisen seien gut – um sich mal wieder daran zu erinnern, wie gut es daheim ist. Immer wieder werde Bayern für ein eigenständiger Staat gehalten, und „ich sage euch: Wir könnten es auch allein!“

Strauß habe das Land aus dem Status des reinen Agrarlandes herausgeführt, Stoiber habe die High-Tech-Wirtschaft geholt, „und ich werde das Land digitalisieren“, formt er den Dreiklang.

Dobrindt macht den Ausputzer

Er fasst sich kurz, kürzer als Stoiber. Er kommt schon nach 50 Minuten zum Schluss, nicht erst nach einer Stunde und zehn Minuten. Dann holt er den Patriarchen auf die Bühne. Gemeinsam versuchen sie sich am Haindling-Lied „Bayern samma mir“, „gell, Edmund, du musst auch mitmachen.“ Die Halle klatscht.

Die Ausputzer-Rolle übernimmt dann General Dobrindt. Natürlich hätte die CSU wieder den Sieg davon getragen, 7000 Besucher seien in der Halle gewesen. Die ist zwar nur für 4000 geeignet, aber „es waren ja auch die Stehplätze voll“.

Er macht die „politischen Nichtschwimmer“ runter. Die Selbsthilfegruppe FDP, die habe einen Stuhlkreis gebildet, mit Rainer Brüderle, „dem Fachmann für bayerische Trachten“. Und dann dreht Dobrindt richtig auf: „Lieber Rainer Brüderle nachts an der Hotelbar als Claudia Roth zum Frühstück.“ Der Saal tobt vor Begeisterung. Ein paar junge Männer singen: „Ein Tag, so schön wie heute, der dürfte nie vergehen.

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