Der Sonnenkönig und die Armen
Die CSU-Landtagsfraktion beschließt am Mittwoch in Kreuth den Mindestlohn. Christian Ude: „Ein Täuschungsmanöver“
KREUTH Wenn er weg ist, wird über ihn gemosert. Wenn er da ist, wird er gefeiert. Zum Auftakt ihrer Klausur in Kreuth überschüttet die Landtagsfraktion Horst Seehofer mit Lob. „Wir vertrauen dir. Du machst es schon richtig“, preist Landtagspräsidentin Barbara Stamm seine „weitsichtige Strategie“. Eine „Vernunftliebe“, frotzelt einer hinter vorgehaltener Hand. Während über Bayern dicker Nebel liegt, strahlt in Kreuth für die CSU der weiß-blaue Himmel.
Da muss sich Seehofer wie ein Sonnenkönig fühlen. Der aber entdeckt mit seinem Hofstaat nun plötzlich, dass in Bayern doch nicht alles so super ist, wie er und seine CSU es immer propagiert haben.
Der Slogan der Bayern-SPD erschreckt jetzt die CSU: „Bayern – aber gerechter.“ Jahrzehntelang wollte die CSU nur die schönen Seiten sehen. Nun muss sie Schattenseiten einräumen. „Dass doch nicht alle Menschen teilhaben an dieser Prosperität“, sagt Fraktions-Vize Alexander König. Plötzlich machen sich die Abgeordneten Sorgen um „soziale Gerechtigkeit“ und Mindestlohn.
Jetzt wird über die „Praktikanten-Generation“ nachgedacht, über „Ältere, die in den Betrieben ausgewechselt werden“, über „Zeitarbeiter und Zeitverträge“. Am Mittwoch wird die Fraktion ihren Beschluss für „faire Löhne“ und einen „Mindestlohn“ fassen. Aber nur einen tariflichen. Keinen gesetzlichen. „Ich würde das als Gewerkschaft nicht verlangen, weil ich mich damit selber letztendlich völlig enteiere“, sagt Arbeitsministerin Christine Haderthauer. Die Tarifpartner hätten eine viel höhere Kompetenz als Politiker, Löhne festzulegen.
Seehofer lässt unterdessen ein Interview aus dem Jahre 2008 verbreiten. Als Beleg, dass er, der „Herz-Jesu-Politiker“ schon immer für einen tariflichen Mindestlohn gewesen sei. „In der Partei aber hat er den nie thematisiert“, heißt es in der Fraktion.
„Nur eine halbe Kehrtwende, aber ein ganzes Täuschungsmanöver“, ist das für Herausforderer Christian Ude, da die CSU nach wie vor gesetzgeberische Schritte zum Schutz vor Lohndumping ablehne. „Am Ende einer Amtsperiode, in der die CSU sowohl im Bundestag wie auch im Landtag die sozialdemokratische Forderung nach Mindestlöhnen zurückgewiesen, blockiert und verteufelt hat, knickt sie jetzt auch bei diesem Thema ein“, sagt er. Die Gewerkschaften sind skeptisch. Es sei zwar schön, dass auch die CSU an dem Thema nicht mehr vorbeikomme, so Matthias Jena, Chef des DGB Bayern. „Aber das ist kein Mindestlohn, das ist nicht einmal ein Mindestlöhnchen.“
Dabei strotzt die CSU vor Kraft, wenn es nach ihren eigenen Umfragen geht. Ihr General Alexander Dobrindt legte schon wieder eine vor. Der neueste Trend von Emnid: CSU 48 Prozent, SPD 20 Prozent, Grüne 12 Prozent, Freie Wähler 8 Prozent. Fraktionschef Georg Schmid spricht, wenn er an die Umfragen der letzten Woche denkt, nur noch im Stakkato: „47, 46, 48, gut!“ So sei Kreuth eben: „Wunderschön!“