Der seltsame Auftritt des Dieter Althaus
Thüringens Noch-Regierungschef tritt vom Rücktritt zurück - und stürzt damit seine Partei ins Chaos. Die Mehrheit der Mitglieder in der CDU unterstützt Sozialministerin Christine Lieberknecht als Nachfolgerin.
ERFURT Es ist ein seltsames Bild: Dieter Althaus marschiert an diesem Dienstagmittag in der Erfurter Staatskanzlei zielstrebig ans Rednerpult. "Freistaat Thüringen" steht darauf. Vorher hat er die Kabinettssitzung geleitet – der Dieter Althaus, der vor fünf Tagen in einer kargen Ein-Zeilen-Mail sein Amt hingeschmissen und sich dann zum Rasenmähen nach Hause zurückgezogen hatte. "Ganz normal" hätten die Regierungsmitglieder seine Rückkehr zur Kenntnis genommen, sagt Althaus. Doch das glaubt ihm niemand.
Längst ist der Machtkampf in der Thüringer CDU voll ausgebrochen. Nachdem Althaus am Montag überraschend angekündigt hatte, er werde bis zum Antritt eines Nachfolgers doch weiter im Amt bleiben, preschten CDU-Vize Birgit Diezel und Sozialministerin Christine Lieberknecht vor: Diezel schlug Lieberknecht als Althaus-Nachfolgerin vor, "mit ihr geht Thüringen gestärkt in die Zukunft", sagte Diezel.
Um jeden Preis wollen die beiden Frauen Althaus' Rückkehr verhindern
Lieberknecht legt nach: "Die Ära Althaus ist mit dem Rücktritt, den er selbst erklärt hat, zu Ende. Jetzt geht es darum, nach vorne zu schauen." Fast schon Panik klingt aus diesen Worten – um jeden Preis wollen die beiden Frauen Althaus’ Rückkehr verhindern und schieben dabei sogar ihre Rivalität beiseite.
Die Thüringer CDU steht vor einer Zerreißprobe: Einigen in der CDU-Fraktion sind die beiden Protestantinnen "zu liberal", Fraktionschef Mike Mohring soll in seiner Verzweiflung sogar versucht haben, den 73-jährigen Altministerpräsidenten Bernhard Vogel zu einer Rückkehr zu bewegen. Der winkt aber sofort ab. Die Parteibasis dagegen ist auf Seiten Lieberknechts: Zwölf Landräte, zehn Kreisvorsitzende und die Junge Union unterstützen die 51-Jährige.
Althaus gibt sich uneinsichtig: "Ich verstehe die Frage nicht"
Und Dieter Althaus? Der versteht die ganze Aufregung nicht. Er antwortet knapp, mit versteinerter Miene, krampft die Hände ums Rednerpult. Er habe die Amtsgeschäfte nicht auf Birgit Diezel übertragen, sagt er: "Es gibt dazu kein Schriftstück." Auf die Frage, was er dann eine Woche lang daheim gemacht habe: "Ich habe auch da für das Land gearbeitet, ich habe zum Beispiel Dienstpost geöffnet." Ob er noch das Vertrauen der Partei genieße? "Ich verstehe die Frage nicht." Warum er überhaupt zurückgetreten sei? "Ich will den Weg für eine große Koalition freimachen."
Nur: Mit diesem Auftritt macht Althaus die Koalitionsbildung nur schwieriger. Die SPD ist irritiert. Und Althaus selbst demontiert sich vollends. Eine Staatskanzlei-Mitarbeiterin, die die Pressekonferenz verfolgt, sagt gequält: "Ich schäme mich für ihn."
A. Zoch
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