Der schwarze Delfin - das ist Russlands berüchtigster Knast
Sol-Ilezk - Die Haftanstalt "Schwarzer Delfin" (offiziell: Justizvollzugskolonie Nr. 6) in der mittelasiatischen Steppenstadt Sol-Ilezk erhielt ihren klingenden Spitznamen, der russlandweit bekannt ist, vor über 20 Jahren durch die Delfinskulptur eines Gefangenen.
Da andere Farben im Gefängnis nicht vorhanden waren, strich er sie schwarz an. Gefangene wie er sind der Hauptgrund für die Berühmtheit der Einrichtung. Denn hier sitzen unter Dauer-Videoüberwachung und harten Haftbedingungen durch ihre Taten prominente Schwersttäter ein: Terroristen, Kannibalen oder Massenmörder, die große Schlagzeilen gemacht hatten.
Putin liebt den Gefängnisjargon
"Über den Schwarzen Delfin wurden Filme gedreht, Bücher geschrieben und Lieder komponiert", versucht die staatlich-russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti den morbiden Gefängniskult Russlands in Worte zu fassen. Putin selbst hat ein Faible für Gefängnisjargon. Er liebt auch den sogenannten "Russki Schanson", eine Musikrichtung, die recht schwülstig den Knast und kriminellen Lebensstil regelrecht verherrlicht.
Dieser Kult findet auch direkt rund um die Haftanstalt statt. Denn sie liegt heute inmitten eines Kurortes, der sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund eines heilende Salzsees in der Nähe rund um den Knast ausgebreitet hat. Sol-Ilezk liegt dabei nahe der Kontinentalgrenze im asiatischen Teil Russlands, in der momentan vom Hochwasser gebeutelten Region Orenburg.
Selfies mit Knastambiente
Der "Schwarze Delfin" besitzt sogar selbst im Eingangsbereich einen Souvenirshop, wo die Kururlauber hölzerne Delfinfiguren und andere Erzeugnisse aus den Werkstätten der prominenten Gefangenen erwerben können. Die Wärter haben Mühe, Touristen von Selfies mit Knastambiente abzuhalten. Der Gegensatz zum Inneren der Strafkolonie, die schon unter Katharina der Großen begründet und auch unter Stalin mit vielen Opfern betrieben wurde, könnte krasser nicht sein. Kalte kahle Zellen, schlafen nur bei hellem Licht, jede Fortbewegung nur in Handschellen, Schlagstöcke im Einsatz bei jedem kleinen Vergehen. Das Gefängnis ist in separierte Zonen geteilt, allgegenwärtig sind Überwachungskameras.
Gerade mit dem Einsatz von Gewalt gegen Gefangene wurde jetzt von den Wärtern mutmaßlich ein Maß überschritten, das auch den größeren Toleranzbereich, den es in Russland hier gibt, überschreitet. Gewaltvorwürfe im russischen Justizsystem sind dabei nichts Neues, offizielle Beschwerden aber selten.
Wenn es zu Klagen komme, würde nicht nur der Beschwerdeführer bestraft, meint Olga Romanowa von der Gefangenenhilfsorganisation "Russland hinter Gittern" in einem Interview. Auch sein Umfeld müsse mit Drangsalierungen rechnen. Doch spätestens bei systematischer Folter reicht auch dieses repressive System nicht mehr, Gefangene oder ihre Angehörigen von einem öffentlichen Aufschrei abzuhalten.
Bestrafungen bei kleinsten Vergehen
Dazu kam es wohl im "Schwarzen Delfin", wie sogar die regierungsnahe "Moskowski Komsomolez" berichtet. Selbst bei kleinsten Vergehen wie Nichterfüllung von Produktionsquoten in Werkstätten kam es zu Bestrafungen, bei Beschwerden wurden Schläge auf die Beine ausgeteilt, bis diese komplett grün und blau waren. Die Häftlinge wurden mit Elektroschocks an ihren Genitalien gefoltert.
Ein früherer Mitarbeiter berichtete der Zeitung, die Gefangenen würden vor angekündigten Bestrafungen lange nichts essen, da sonst wegen der Härte die Gefahr bestünde, dass sie sich einkoten. Nach Bestrafungen wirkten ihre Gliedmaßen wie ein einziges Hämatom. Wie häufig in repressiven Systemen würden einzelne Wärter auffallen, die Freude an solchen Misshandlungen hätten. Innerhalb der Videoüberwachung gäbe es "blinde Zonen", wo sie vorgenommen werden könnten.
Die Schlagzeilen und die Brutalität der Foltermaßnahmen zwangen nun auch die Spitze des russischen Staates zum Handeln.

Tatjana Moskalkowa, offiziell Menschenrechtsbeauftragte von Putin, beauftragte die Generalstaatsanwaltschaft, die Vorwürfe zu prüfen. Glück haben könnten die Häftlinge im "Schwarzen Delfin" wegen der großen Prominenz ihrer Anstalt. Ihretwegen könnte das Interesse der russischen Öffentlichkeit größer sein als in anderen Fällen.