"Der Ralph stirbt" - Ein Protokoll des Grauens aus Bombay

BOMBAY/MUENCHEN - Zwei Stunden kämpft der Münchner CSU-Politiker Ralph Burkei (51) in Bombay um sein Leben. Am Handy versucht sein Freund Aribert Wolf von München aus verzweifelt, ihm zu helfen. Aber es ist zu spät
Die Katastrophe von Bombay, sie findet auch mitten in München statt. Aribert Wolf, der frühere OB-Kandidat der CSU, bekommt am Telefon live mit, wie sein Freund, der Münchner Geschäftsmann und langjährige Schatzmeister der Münchner CSU, Ralph Burkei, auf einem Vordach des „Taj Mahal“-Luxus-Hotels mit dem Tode ringt. Wolf versucht zwei Stunden lang alles – vergeblich. In der AZ spricht Wolf über die dramatischen Stunden:
„Ich wusste, dass Ralph Burkei in Bombay ist, ich hatte mit ihm tags zuvor noch telefoniert. Er sagte: ,Es ist total schön hier, warmes Wetter und das Hotel ist auch schön.’
Am Mittwochabend war ich auf einer CSU-Veranstaltung und hörte danach im Autoradio von den Terroranschlägen. Ich kam um halb zwölf zuhause an und wollte eigentlich sofort ins Bett. Dann habe ich doch noch das Handy angemacht. Mir fiel gleich die SMS von Ralph Burkei auf: ,Sind im sechsten Stock in unserem Hotel, kommen nicht weg, im ganzen Haus wird geschossen, sitzen hier fest, was ist los?’
Ich wollte ihn gleich anrufen, dann dachte ich: Vielleicht haben sie sich ja verstecken können, und ein Telefonklingeln könnte sie verraten. Also schickte ich eine SMS.
Nach drei Minuten klingelte das Telefon.
"Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben noch mal laufen kann"
Ralph Burkei war dran: ,Ich liege hier schwer verletzt auf einem Vordach vom Hotel, alles brennt, überall sind Schießereien, ich kann mich nicht mehr bewegen. Meine Brille ist auch weg, ich kann deine Nachricht gar nicht lesen, wir können nur telefonieren. Ute (Burkeis Lebensgefährtin Ute Bernhardt) ist auch schwer verletzt. Wir haben versucht, aus dem sechsten Stock runterzuklettern, weil wir oben eingeschlossen waren. Wir sind dann im zweiten Stock abgestürzt auf dieses Vordach. Ich habe mir mindestens das Becken gebrochen, ich kann mich nicht mehr rühren. Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben noch mal laufen kann. Und hier passiert nichts, es kommt keiner, versuch doch, ob du über das Auswärtige Amt Hilfe holen kannst.’
Das habe ich dann gemacht. Eine Mitarbeiterin gab mir eine Telefonnummer: ,Wir haben jemanden vom Konsulat vor Ort, rufen Sie den an, um alles direkt abzuklären.’
Ich habe den Mann schnell erreicht, ich glaube, es war der Generalkonsul selbst. Er war im Bilde und meinte, die Sicherheitskräfte könnten dort nicht hin. Das Vordach liege im Innenbereich des Hotels und dort werde immer noch geschossen.
Es gab dann ständig Telefonate mit beiden: mit dem Mann vom Konsulat und mit Herrn Burkei. Ralph sagte: „Du, wenn nicht bald jemand kommt, dann sterbe ich. Mir gehen die Kräfte aus. Ich kann mich nicht mehr rühren, ich hab’ solche Schmerzen. Ute geht’s auch nicht gut.“
Auf der anderen Telefonleitung habe ich mitgehört, wie der Mann vom Konsulat versuchte, die Sicherheitskräfte dorthin zu lotsen: ,Look up at the roof, try to come there.’ Dann hatte ich wieder Ralph Burkei dran und sagte zu ihm: ,Ruf mal um Hilfe.’ Das tat er. Aber er hat nichts gehört und die haben nichts gehört. So ging das die ganze Zeit, immer wieder neue Telefonate, immer wieder neue Versuche.
Dann war Ute am Telefon. Sie hatte es ins Hotel hinein geschafft, in ein Zimmer, aus dem die Sicherheitskräfte sie von außen retten konnten. Ich rief den Konsul an: ,Was ist mit Ralph?’
Der Konsul: ,Wir können jetzt zu ihm hin.’
Lebensgefährtin Ute: "Ich befürchte das Schlimmste"
Sie versuchten, Burkei mit einem Kran und einer Trage vom Dach zu holen. Ute sagte am Handy: ,Ich befüchte das Schlimmste, ihm geht es überhaupt nicht gut.’
Es dauerte lange. Irgendwann sagte sie: ,Er ist jetzt unten und er lebt. Aber er ist schlecht beieinander. Wir fahren jetzt ins Krankenhaus.’
Dann rief sie wieder an: ,Wir sind im Krankenhaus, und der Ralph gibt kein Lebenszeichen mehr von sich. Ich glaube, er ist tot.’
Ich habe gehofft, dass sie es sich vielleicht nur einbildet in der Aufregung und der Hektik.
Dann habe ich etwas gewartet und wieder angerufen. Sie meinte: ,Wir sind jetzt beide zusammen im Zimmer. Sie haben festgestellt, dass ich mir den Rücken gebrochen habe.’
,Und der Ralph?’
,Der Ralph ist tot.’
Da war es etwa halb zwei Uhr morgens. Das war für mich der totale Schock.“
Protokoll: Frank Müller