Der „Prickel“ aus Brakelsiek

Er hat sich nie nach einem Amt gedrängt, aber erstaunlich viele ergattert. Jetzt ist Frank-Walter Steinmeier sogar Kanzlerkandidat seiner Partei. Der neue Hoffnungsträger der SPD im Porträt.
von  Abendzeitung
Frank-Walter Steinmeier will im Herbst 2009 Kanzler werden
Frank-Walter Steinmeier will im Herbst 2009 Kanzler werden © AP

Er hat sich nie nach einem Amt gedrängt, aber erstaunlich viele ergattert. Jetzt ist Frank-Walter Steinmeier sogar Kanzlerkandidat seiner Partei. Der neue Hoffnungsträger der SPD im Porträt.

Er ist der neue Hoffnungsträger der deutschen Sozialdemokratie: Frank-Walter Steinmeier. Zusammen mit dem früheren und schon wieder designierten Parteivorsitzenden Franz Müntefering soll er die SPD aus ihrem Jammertal führen und im September 2009 als Kanzlerkandidat seiner Partei Amtsinhaberin Bundeskanzlerin Angela Merkel herausfordern.

Frank-Walter Steinmeier kam 1956 in Brakelsiek auf die Welt, einem 1000-Einwohner-Dorf, das zur Stadt Schieder-Schwalenberg im Kreis Lippe zählt. Beim TuS 08 Brakelsiek schnürte der junge Steinmeier die Fußballschuhe, war als Wadenbeißer gefürchtet und wurde von seinen Mitspielern – keiner weiß mehr so recht, warum – „Prickel“ genannt. Sein ostwestfälisch-lippischer Zungenschlag erinnert mehr und mehr an an die Reibeisen-Stimme Gerhard Schröders, der aus derselben Region stammt. Und ähnlich wie der Altkanzler, der im Wahlkampf gerne damit kokettierte, er habe als Kind „den Kitt von den Fenstern gefressen“, kommt auch der Tischlersohn Steinmeier gerne auf seine Herkunft aus kleinen Verhältnissen zu sprechen.

Nach Abitur, Wehrdienst und Jurastudium sowie einer Lehrtätigkeit an der Uni Gießen holte der damalige Ministerpräsident Schröder den Einser-Absolventen als Büroleiter in seine Staatskanzlei nach Hannover, nannte ihn etwas herablassend, aber auch dankbar seinen „Mach-mal-Frank“. Später folgte der fleißige Kärrner Steinmeier seinem Mentor als Kanzleramtschef erst nach Bonn, dann nach Berlin. Er hielt dem impulsiven Regierungschef den Rücken frei, galt als Erfinder der Agenda 2010 und erarbeitete sich den Spitznamen „Seine Effizienz“. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 wurde er schließlich in der großen Koalition Außenminister und Vizekanzler.

Seit 1995 ist der 52-Jährige mit der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender verheiratet, die beiden haben eine zwölfjährige Tochter. Vom privaten Steinmeier weiß man, dass er Theater, Wandern und Krimis liebt und dass er im Keller einen Hometrainer stehen hat, den er allerdings zu selten benutzt. Mit seiner Tochter läuft er im Berliner Grunewald angeblich Inline-Skates.

Dass er in die Offensive geht wie jetzt beim Wegbeißen Kurt Becks vom Parteivorsitz, hat man vom öffentlichen Steinmeier bislang nicht gekannt. „Ich habe nie geplant, Politiker zu werden“, sagte er einmal. „So was entwickelt sich.“ Steinmeier drängte sich nie nach Ämtern, eher fielen ihm diese in den Schoß.

In den letzten Jahren hat Steinmeier jedoch unauffällig, aber emsig an einem Imagewandel gearbeitet. Ihm lange anheftende Etiketten wie „spröde“, „nüchtern“ oder „trocken“ versuchte er durch medienwirksame Auftritte wie einer gemeinsamen Trällerei mit dem türkischen Sänger Muhabbet abzustreifen. Bereits im bayerischen Kommunalwahlkampf rockte „Stone“ manches Bierzelt. Plötzlich gab es Homestories über das Heim der Steinmeiers in Berlin-Zehlendorf. Auch der Wandel vom technokratischen Apparatschik zum fürsorglichen Volksvertreter wird längst inszeniert: Im Brandenburgischen besorgte sich Steinmeier einen Wahlkreis, will sich 2009 erstmals in den Bundestag wählen lassen.

Allerdings: Steinmeier verfügt in der SPD über keinerlei Hausmacht. Als Parteivize, zu dem ihn Beck 2007 machte, duckte er sich immer dann weg, wenn es brenzlig wurde – und überließ Beck die Rolle des „bad guy“. Vor dem BND-Untersuchungsausschuss sah sich der Mann, der als Kanzleramtschef auch für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig war, mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe bewusst in Kauf genommen, dass der in Bremen geborene Türke Murat Kurnaz lange Jahre in Guantánamo schmoren musste.

Markus Jox

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