Der Polit-Krimi um Edathy

Der SPD-Mann wurde womöglich vor den Kinderporno-Ermittlungen gewarnt – jetzt geraten CSU-Minister Friedrich und mehrere Spitzengenossen in Erklärungsnot
tan |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Berlin - Wer wusste wann was? Der Fall Sebastian Edathy ist unvermutet zur Regierungsaffäre geworden. Unabhängig davon, was an den Vorwürfen wegen Kinderpornographie gegen den SPD-Mann dran ist: Jetzt geht es auch darum, wer wann wem Bescheid gesagt hat, dass Ermittlungen laufen. Und so womöglich Edathy gewarnt hat. Gegen den früheren Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird nun formell ein Anfangsverdacht auf den Verrat von Dienstgeheimnissen geprüft, aber auch die SPD-Spitze steht im Visier.

Friedrich, damals Innenminister, wurde im Oktober 2013 über seinen Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche vom BKA informiert, dass Edathys Name bei Kinderporno-Ermittlungen in Kanada genannt worden sei (pikant am Rande: Fritsche war von Edathy vorher im NSU-Untersuchungsausschuss gegrillt worden). Friedrich wiederum informierte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Rande der Sondierungsgespräche.

So teilte es die SPD gestern per Pressemitteilung mit – und räumte damit auch ein, seit letzten Herbst Bescheid gewusst zu haben. Weiter heißt es, dass Gabriel auch Frank-Walter Steinmeier, den damaligen Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann (heute Fraktionschef) sowie später dessen Nachfolgerin Christine Lambrecht einweihte. Oppermann sagte, er habe sich den Verdacht von BKA-Chef Jörg Ziercke bestätigen lassen. Der widersprach umgehend: Er habe sich Oppermanns Darstellung angehört, aber nichts bestätigt. Gestern stellte sich zudem heraus, dass im Oktober 2013 auch alle LKAs informiert wurden und auf diesen Weg auch Boris Pistorius (SPD), Innenminister in Edathys Heimat Niedersachsen, im Bilde war.

Zerstörte Festplatten

Die Frage, wer wann was wusste und wem weitergesagt hat, ist deswegen auch so brisant, weil Edathy womöglich ebenfalls in Kenntnis gesetzt wurde. „Das stinkt zum Himmel. Er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet“, ließ sich ein Ermittler anonym zitieren. Nach mehreren Berichten wurde bei den Razzien in seiner Wohnung und zwei Büros lediglich ein intakter Computer gefunden – sowie die Reste mehrerer zerstörter Festplatten. Laut SZ und NDR soll Edathy einem Vertrauten gesagt haben, er habe keine Beweismittel vernichtet, nur eine Festplatte mit Unterlagen aus dem NSU-Ausschuss zerstört. „Man hat eine Existenz vernichtet“, wird Edathy weiter zitiert, der auf seiner Facebook-Seite den Kinderporno-Verdacht dementiert.

Der SPD-Mann soll sich aktuell im Ausland aufhalten, seine Parteifreunde vermuten ihn in Dänemark. Er war seit Anfang Januar wegen akuter Erschöpfung krankgeschrieben; seinen Mitarbeitern bedeutete er frühzeitig, sich besser neue Jobs zu suchen.

Was auch immer bei den Ermittlungen rauskommt: Jetzt sind auch andere im Visier der Staatsanwaltschaft – eben wegen Geheimnisverrats beziehungsweise Strafvereitelung. Das richtet sich vor allem gegen CSU-Minister Friedrich: Denn er war es, der die Informationen von der Polizei bekommen hat – und sie weiterreichte. Er ließ gestern einen Sprecher ausrichten, das Gespräch mit Gabriel sei vertraulich gewesen. Will heißen, er könne nichts dafür, dass der das dann weitergesagt habe.

Die Staatsanwaltschaften in Hannover und Berlin bestätigten, dass sie einen Anfangsverdacht wegen des Verrats von Amtsgeheimnissen gegen Friedrich prüfen. Über die Einleitung eines Verfahrens sei noch nicht entschieden. Juristisch ist die Frage heikel, politisch wächst der Druck – es gibt erste Rücktrittsforderungen gegen den Mann, der mittlerweile Agrarminister ist.
Aber auch Gabriel und seine Genossen könnten Konsequenzen drohen. Bei ihnen kommt das Delikt „Strafvereitelung“ in Frage, aber es wird schwieriger nachzuweisen, wer von ihnen Edathy den Tipp gegeben hat – falls es so war.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.